© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/16 / 26. Februar 2016

Eine Partei auf der Kippe
Rechtsextremismus: Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verhandelt über den Verbotsantrag der Bundesländer gegen die NPD
Christian Schreiber

Für die NPD wird es ernst. In der kommenden Woche verhandelt das Bundesverfassungsgericht auf Antrag der Bundesländer über ein Verbot der Partei. Ein erstes Verfahren gegen die NPD war 2002 eingestellt worden, weil das Gericht erhebliche Zweifel hatte, ob V-Männer in NPD-Führungsgremien rechtzeitig abgeschaltet worden seien. 

Damals wurde zudem bekannt, daß prominente Funktionäre wie der ehemalige Bundesgeschäftsführer Udo Holtmann oder das  frühere Landesvorstandsmitglied von Nordrhein-Westfalen Wolfgang Frenz auf der Lohnliste des Verfassungsschutzes standen. Es ließ sich, so die Richter damals, nicht mehr sauber trennen, was wirklich NPD-Aktivität war und was die V-Leute provoziert hatten. Die Frage, ob es sich bei der NPD um eine verfassungsfeindliche Partei handelt, wurde gar nicht erst erörtert. Dazu soll es diesmal kommen. Der Zweite Senat – als Berichterstatter ist der frühere saarländische Ministerpräsident  Peter Müller (CDU) zuständig – hat die Verhandlung auf drei Tage angesetzt, es könnten aber durchaus mehr werden.

Das aktuelle Verbotsverfahren geht auf einen Beschluß der Innenministerkonferenz vom Dezember 2012 zurück. Unter dem Eindruck der mutmaßlichen Mordserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) wurden zuvor wiederholt Forderungen laut, die NPD verbieten zu lassen – vor allem, als bekannt wurde, daß mit dem Thüringer Ralf Wohlleben ein hochrangiger NPD-Funktionär über Jahre zum Unterstützerkreis des NSU-Trios gezählt haben soll.  

Die Hürden, um eine Partei verbieten zu lassen, sind hoch. Nur verfassungsfeindlich zu sein, reicht nicht aus für ein Verbot. Eine Partei muß darüber hinaus auch eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der bestehenden Ordnung zeigen – und diese Ordnung beseitigen wollen. In der Frühzeit der Bundesrepublik wurden solche Verfahren zweimal erfolgreich durchgeführt. Neben der KPD traf es die rechtsextreme Sozialistische Reichspartei, von der einige Funktionäre später an der Gründung der NPD beteiligt waren. 

Befangenheitsantrag gegen Peter Müller? 

Im Gegensatz zum ersten NPD-Verbotsverfahren sehen sich die Antragsteller diesmal besser vorbereitet. Die V-Männer seien bereits vor rund drei Jahren „abgeschaltet“ worden, man habe die Argumentation auch ohne deren Hilfe hieb- und stichfest machen können. Die NPD lehne das demokratische Prinzip ab, betrachte Wahlen als Mittel zum Zweck, sie stehe in direkter Traditionsfolge der NSDAP, sei rassistisch und notfalls bereit, ihre Ziele mit Gewalt durchzusetzen.

Als Prozeßbevollmächtigten hat die Partei den saarländischen Landesvize Peter Richter nominiert. Der junge Jurist gilt als eloquent und versiert. Die NPD werde während des Verfahrens „ein paar Knaller“ zünden, kündigte Richter an. Wiederholt hatte die Partei darauf hingewiesen, daß ein faires Verfahren nicht gegeben sei. Es ist zu erwarten, daß Richter zum Auftakt einen Befangenheitsantrag gegen Verfassungsrichter Peter Müller stellen wird. Der habe sich als Ministerpräsident wiederholt negativ über die NPD geäußert, er sei folglich befangen, findet Richter.

Das Hauptaugenmerk wird die Partei wohl erneut auf die V-Mann-Problematik legen. Der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sagte Richter, das Verfahren werde aufgrund „unüberwindbarer Hindernisse“ scheitern. Eine vertrauliche Kommunikation sei nicht möglich. „Ein faires Verfahren ist aber nur gewährleistet, wenn die Verteidigung nicht einmal die begründete Furcht haben muß, daß ihre Verteidigungsstrategie ausgespäht wird.“ Er habe deshalb in der NPD die Losung ausgegeben: „Wir gehen da einfach mal hin, gucken uns das an und schauen, in welche Richtung das Ganze geht.“

In der Tat gibt es einige knifflige Punkte. Die V-Leute mögen zwar abgeschaltet worden sein, aber was ist anschließend mit ihnen passiert? Hätten gewählte Funktionäre auch zurücktreten und die Partei verlassen müssen? Die NPD hat die ihr zustehende Akteneinsicht erhalten. Die Namen von Spitzeln sind geschwärzt worden, doch Richter sagt, man könne aufgrund der Länge des Namens interessante Rückschlüsse ziehen. Was passiert, wenn bekannt wird, daß es V-Leute im engsten Führungskreis gegeben hat? In einschlägigen Internetforen fällt immer wieder der Name Holger Apfel. Der frühere Parteivorsitzende stolperte vor gut zwei Jahren über eine ziemlich unappetitliche Affäre. Apfel trat zuerst zurück und dann auch aus der Partei aus. Ausgerechnet zu jenem Zeitpunkt, als die Länder bekanntgaben, ihre V-Leute abzuziehen. Ein Zufall? Die Verhandlung in Karlsruhe könnte Klarheit bringen.