© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/16 / 26. Februar 2016

Oft ist das erste Geschäft auch das letzte
Ratgeberliteratur: Zwei Bücher richten sich an angehende Besitzer von Wohnimmobilien, die sich die Kaufentscheidung nicht zu einfach machen sollten
Ronald Gläser

Ein Werbeposter vor einer Berliner Bankfiliale verspricht Immobilienkredite ab 1,04 Prozent. Tiefer geht es nicht mehr. Selbst für Verträge mit einer 20jährigen Laufzeit verlangen einige Banken bereits nur noch zwei Prozent Zinsen. Die Niedrigzinsphase ist noch lange nicht zu Ende – und sie wird den Immobilienmarkt weiter befeuern.

Aber sie ist nur ein Trend, der den deutschen Immobilienmarkt beeinflußt. Die demographische Entwicklung, der Hunger des Staates nach immer mehr Geld, eigentümerfeindliche Gesetze, die Inflation – diese und viele andere Faktoren haben Auswirkungen auf die Entwicklung von Immobilienpreisen. Franz Netter dekliniert sie alle durch. 

Klar, stringend und rational erörtert er in seinem Buch „Wohnimmobilien“, wie Investoren vom deutschen Immobilienboom profitieren können. Gleichzeitig sind Immobilien ja auch ein Schutz gegen den Wertverlust des Papiergeldes. Mit Blick auf drohende Schwierigkeiten der westlichen Wohlfahrtsstaaten mutmaßt er: „Vermutlich werden auch Immobilieneigentümer für die Schuldenorgien seit 1971 büßen. Aber sie werden erheblich besser davonkommen als die Besitzer von Papierwerten.“

Wichtig ist es, selbst nachzurechnen. Nur Trottel ließen sich in Verkaufsgesprächen beeindrucken. Netter zitiert aus einem fiktiven Plausch mit dem Makler: „Der Bauträger will das Projekt abschließen. Deshalb kann ich Ihnen die Wohnung zum Sonderpreis anbieten. Aber Sie müssen schnell sein. Ich habe schon zwei andere Interessenten an der Hand, die die Wohnung haben wollen. Wenn Sie sofort zugreifen, gehört sie Ihnen.“

In Wahrheit denkt der Verkäufer dies: „Die Wohnung ist zu teuer und hat einen miesen Grundriß. Deshalb ist der Bauträger darauf sitzengeblieben. Vor ein paar Tagen hat er sie mir zum Vertrieb angeboten. Wenn ich die Wohnung einem Käufer andrehe, bekomme ich fünf Prozent des Preises als Provision. Für die anderen Trottel auf meiner Kundenliste habe ich noch genug weitere Ladenhüter übrig.“ Das Wertvollste an Netters Buch ist es, daß er die Augen für Risiken öffnet. Er ist zwar grundsätzlich für Immobilieninvestitionen, warnt aber vor Fehlern. Und die macht jeder, insbesondere, wenn es der erste Deal ist. Da viele Leute nur einmal im Leben ein Haus oder eine Wohnung kaufen, ist das erste ja oft auch das letzte Geschäft.

An genau jene Anleger richtet sich auch das Buch „Wohneigentum 2016“ von Henning Lindhoff. Der radikalliberale Journalist, der Sachbücher fast im Akkord schreibt, hat einen neuen Ratgeberband speziell für Käufer von Eigentumswohungen verfaßt. Er rät zur Vorsicht, denn: „Viele Wohnungseigentümer sind sich nicht im klaren darüber, daß sie Miteigentum an einer Immobilie, verbunden mit dem Sondereigentum an einer Wohnung, erwerben.“ Der Beitritt zu einer Wohneigentümergemeinschaft (WEG) erfolgt zwar freiwillig, ist aber nicht frei von Schwierigkeiten, die logischerweise erst auftreten, wenn das Geschäft längst unter Dach und Fach ist.

Lindhoff beklagt, was Immobilienbesitzer und Hausverwalter bestätigen können: „Das Dikicht der Bürokratie wird von Jahr zu Jahr verworrener.“ Viele Streitigkeiten zwischen Mietern und Vermietern oder innerhalb der Eigentümergemeinschaft landen vor Gericht. Vieles ließe sich vermeiden, wenn Immobilienbesitzer sich besser informieren würden, wozu das Buch einen Beitrag leistet.

Vor allem staatliche Vorschriften gilt es zu beachten. Das neue Eichgesetz etwa, das seit 2015 regelt, daß sämtliche Zähler – etwa für Gas oder Wasser – an eine staatliche Stelle zu melden sind. Der Überwachungsstaat kennt kein Pardon und verlangt bei Zuwiderhandeln mehrere zehntausend Euro Strafe.

Auch verpflichtet er Hausbesitzer in bestimmten Fällen zum Einbau neuer Heizkessel oder zum Dämmen, was bislang „nur“ finanziell gefördert wurde. Das gilt zum Beispiel für ältere Häuser mit einem unbeheizten Dachboden, die ihre Decke dämmen müssen. Weitere Vorschriften dieser Art dürften folgen. 

Fazit: Wer wirklich genau wissen will, was in einer Hausgemeinschaft passiert, der sollte sich vom Verkäufer nicht mit der Einsicht in ein altes Protokoll der Eigentümerversammlung zufriedengeben. Eigene Recherche und das Gespräch mit den künftigen Nachbarn oder Miteigentümern ist hier unverzichtbar. Wer sich bereits in eine Eigentümergemeinschaft eingekauft hat, der muß nun auf andere Dinge aufpassen – zum Beispiel, daß ihn die Nachbarn nicht übers Ohr hauen.

Das Lindhoff-Buch aus der Froschperspektive ist sehr, sehr kleinteilig. Es besteht aus aktuellen Urteilen und anderen Infoschnipseln. Zum Teil bleibt Lindhoff – auch mit der Kritik an bestehenden Gesetzen – hinter seinen Möglichkeiten zurück. So zitiert er Experten und Magazine wie Focus zur Mietpreisbremse – statt zu schreiben, was er selbst darüber denkt oder wie Vermieter sie am besten umgehen können. 

Auf der anderen Seite liefert Netter die Vogelperspektive. Teilweise von sehr weit oben. So widmet er ein längeres Kapitel dem US-amerikanischen Immobilienmarkt, was für manche durchaus interessant sein mag. Relevant ist es für den Durchschnittsleser eher nicht. Dafür liefert er aber auch Musterrechnungen und Tips zu immobilienartigen Anlageformen wie Fonds. Zusammen bilden beide Bücher daher eine solide Grundlage für Einsteiger auf dem Immobilienmarkt.

Henning Lindhoff: Wohnungseigentum 2016. Amazon Distribution GmbH, Leipzig 2015, broschiert, 174 Seiten, 9,90 Euro

Franz Netter: Wohnimmobilien. Mit den richtigen Investments vom deutschen Immobilienboom profitieren. FBV, München 2016, gebunden, 192 Seiten, 19,99 Euro