© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 09/16 / 26. Februar 2016

Hübsch häßlich habt ihr’s hier
Statt eines Nachrufs: Umberto Eco setzte die Nachtseite der Schönheit kunstvoll in Szene
Günter Zehm

Hübsch häßlich habt ihr’s hier.“ Das sarkastische (Nicht-)Kompliment von Pater Brown für gewisse aufgedonnerte Interieurs, einst durch die Pater-Brown-Filme mit Heinz Rühmann zu Ruhm gelangt, hat seitdem viel von seiner Wirkung verloren. Heute gilt das Häßliche in manchen Quartieren schon als das „eigentlich Schöne“, zumindest als das „genuin Künstlerische“. Häßlichkeit ist „in“, gerade bei intellektuellen Eierköpfen. 

Auch bei dem vorige Woche im Alter von 84 Jahren in Mailand verstorbenen Philosophen, Romancier und Großkolumnisten Umberto Eco, an sich einem exzellenten Nachdenker und Sprachkünstler, finden sich einschlägige Töne. Sein bekanntes Buch „Geschichte der Häßlichkeit“, dessen deutsche Übersetzung im Münchner Verlag Hanser erschienen ist, ist ein ausgesprochener „Prachtband“ im Überformat, gefüllt mit aufwendigen, feierlichen Fotografien, wie man sie früher nur von dezidiert „schönen“ Phänomenen machte. 

Man sieht keine Bilder von realen Häßlichkeiten, wie sie uns dauernd im Alltag entgegentreten, etwa in Form von trostlosen Straßen in Großplattenbauweise, sondern gezeigt werden raffiniert arrangierte Kunstfotos, meistens von großartigen, weltberühmten Gemälden. Der Betrachter erbaut sich da also gar nicht an den vielen vor sich hinschwelenden Misthaufen, nicht an all den schrecklich verschrobenen Visagen, obszönen Begegnungen, gefolterten Märtyrern,  Satansszenen. Seine Aufmerkamkeit gilt ausschließlich der Meisterschaft, mit der sie der jeweilige Künstler ins Bild gesetzt und in Kunst verwandelt hat.

Zu sehen ist nichts anderes als der Sieg der Schönheit über die Häßlichkeit, denn auch diese Art von  Kunst ist Schönheit, nämlich Könnerschaft in Vollendung, ein Durchsichtigmachen der Idee, die über den schnöden Gegenstand triumphiert. Das wird wohl auch der wackere Umberto Eco insgeheim gewußt und genossen haben.