© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/16 / 04. März 2016

Sparpolitik abgewählt
Parlamentswahl in Irland: Während Labour abgestraft wurde, feiert die oppositionelle Sinn Fein deutliche Zugewinne / Linkspolitiker Yanis Varoufakis gratuliert
Daniel Körtel

Das Werben um politische Stabilität für die weitere Erholung der irischen Wirtschaft hat beim Wähler offenbar nicht verfangen: Am vergangenen Freitag wählten die Iren die bisherige Regierungskoalition aus der bürgerlichen Fine Gael („Familie der Iren“) und der sozialdemokratischen Labour Party ab. Dies jedoch, ohne einer schlüssigen Alternative den Vorzug zu geben. Ministerpräsident Enda Kennys FG mußte deutliche Verluste hinnehmen und konnte sich mit 25,5 Prozent knapp als stärkste Kraft im irischen Parlament behaupten. Dramatisch sind die Verluste für Labour. Nach ihrem letzten Höhenflug von fast 20 Prozent stürzte sie auf 6,6 Prozent ab. So wie die deutschen Sozialdemokraten nach der Einführung von Hartz-IV vollzieht Labour damit die Erfahrung nach, wie sich ihre ureigene Klientel nach drastischen Sparmaßnahmen zu ihren Lasten enttäuscht abwendet.

„Die alten Regime des ‘Bailoutistan’ kollabieren“

Zum „lazarus-ähnlichen Erweckungserlebnis“ wurde die Wahl hingegen für die nationalkonservative Fianna Fail („Soldaten des Schicksals“). Verlor sie zuletzt im Zuge der Finanzkrise ihre dominante Stellung in der irischen Politik, konnte sie sich unerwartet nun mit 24,4 Prozent knapp hinter die FG emporarbeiten. Offenbar ist die FF so tief in ihrer älteren, ländlicheren Wählerschaft verankert, daß diese nach einer vorübergehenden Abkehr leichter geneigt war zu „christlich inspirierter Vergebung“.

Mit deutlichen Zugewinnen auf 13,9 Prozent schnitt die linksnationalistische Sinn Fein („Wir selbst“) ab, die damit jedoch weit hinter den Erwartungen der letzten Umfragen blieb, die sie bei 20 Prozent verorteten. Die Schuld dafür wiesen Sinn-Fein-Politiker den Medien zu, die zuletzt Kampagnen über ihre unklare Haltung zum paramilitärischen Milieu und zur Abschaffung der Anti-Terrorismus-Gesetze gefahren hätten.

Mit 17,8 Prozent und 20 Mandaten konnten auch unabhängige Abgeordnete ihren ohnehin hohen Anteil ausbauen. Vereinzelte Mandate fielen an linke Kleinstparteien, unter anderem auch zwei an die irischen Grünen, die damit ihre Rückkehr ins Parlament feierten. Kläglich gescheitert ist bei dieser Wahl die FG-Abspaltung Renua mit ihrem Versuch, eine Rechtspartei im parlamentarischen System Irlands zu etablieren.

Zu den ersten, die den Wahlausgang bewerteten, gehörte der frühere griechische Finanzminister Yanis Varoufakis (Syriza), der während des Wahlkampfs den Iren empfahl, die Sparpolitik abzuwählen. Varoufakis sieht das irische Wahlergebnis in einem europäischen Zusammenhang: „Die alten Regime des ‘Bailoutistan’, die von der Troika eingesetzt wurden oder durch ihre Akzeptanz der Troika-Programme, kollabierten in jedem Land, wo in den letzten zwölf Monaten eine Wahl stattfand, beginnend mit Griechenland, dann Portugal, Spanien und jetzt Irland.“ Das Wahlergebnis bestätige ein Muster in Europas Peripherie, wonach „die alten Regime entwertet sind, aber nichts Neues da ist, um sie zu ersetzen“.

Die Regierungsbildung dürfte sich unter diesen Bedingungen als sehr schwierig erweisen. Eine große Koalition aus FG und FF, die sich als erste Option anbietet, ist von den Kontrahenten im Wahlkampf jedoch ausgeschlossen worden. Als Alternative bietet sich die Fortsetzung der bisherigen Regierungskoalition unter Einbeziehung unabhängiger Abgeordneter oder als Minderheitenkabinett mit wechselnden parlamentarischen Mehrheiten an. Sollten alle diese Wege ausgereizt sein, bliebe nur noch der Gang zu Neuwahlen.