© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/16 / 04. März 2016

Statussymbol für Weltmächte
Verteidigungspolitik: Immer mehr aufstrebende Staaten rüsten ihre Marinen mit Flugzeugträgern aus, um die Dominanz der amerikanischen Flotte zu brechen
Marcus Schmidt

Zuerst war es nur ein Gerücht. Angefacht von Satellitenbildern einer Werft im chinesischen Dalian, auf denen der im Bau befindliche Rumpf eines großen Schiffes zu erkennen war. Ende vergangenen Jahres bestätigte die Regierung in Peking dann offiziell: China baut seinen ersten eigenen Flugzeugträger. Was wie eine Randnotiz wirkt, ist ein militärpolitischer Meilenstein. China schickt sich mit dem nun begonnenen Aufbau einer Trägerflotte endgültig an, die bislang unangefochtene US Navy ernsthaft herauszufordern. Derzeit dominieren die amerikanischen Seestreitkräfte mit ihren in der Region zum Schutz Japans, Südkoreas und Taiwans operierenden Träger-Kampfgruppen den pazifischen Raum. Doch durch die chinesische Aufrüstung auf See werden die Karten nun neu gemischt.

Denn Flugzeugträger sind auf den Weltmeeren nach wie vor das Maß aller Dinge. Mit den schwimmenden Flugplätzen läßt sich auch in entfernten Weltgegenden militärische Macht demonstrieren – und auch einsetzen. Nur Staaten, die einen Flugzeugträger in ihrer Flotte haben, können den Anspruch erheben, eine Weltmacht zu sein. Aus diesem Grund werden derzeit so viele neue Träger gebaut und geplant wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr.

Großbritannien stößt in Königsklasse vor

Daß China einen eigenen Flugzeugträger baut, hatten Experten erwartet. Es dürfte der Auftakt für ein Bauprogramm von bis zu sechs Trägern sein. Bislang zählt die Flotte des Reichs der Mitte mit der Liaoning lediglich einen Flugzeugträger. Bei diesem handelt es sich um eine alte, noch zu Zeiten der Sowjetunion gebaute Einheit, die China der Ukraine abgekauft hat. Das aufwendig modernisierte Schiff dient der Marine der Volksbefreiungsarmee dazu, Erfahrungen mit dem für sie völlig neuen komplexen Waffensystem zu sammeln. Im Internet finden sich Propagandavideos der chinesischen Marine, die den Trainingsflugbetrieb an Bord des Schiffes zeigen. 

Indien, Chinas Rivale auf dem Weg zur Weltmacht, ist schon einen Schritt weiter. Der erste selbstgebaute Träger, die Vikrant (40.000 Tonnen Verdrängung), wurde bereits im vergangenen Jahr zu Wasser gelassen und wird derzeit ausgerüstet. Mit der Vikramaditya verfügt Indien zudem über einen Träger aus sowjetischer Produktion. Und auch in Rußland, daß mit der aus Sowjet-zeiten stammenden Admiral Kusnezow (einem Schwesterschiff der Liaoning) derzeit über einen Träger verfügt, gibt es konkrete Überlegungen für mehrere Neubauten. Geplant sind mindestens drei Schiffe, von denen jeweils eins im Atlantik und Pazifik eingesetzt werden soll, während das dritte als Reserve in der Heimat verbleibt. Andere Überlegungen sehen sogar sechs russische Flugzeugträger vor. Auch Großbritannien, eine traditionelle „Trägernation“, erneuert derzeit seine Flotte. Die von den Amerikanern einst verspotteten britischen „Babycarrier“ der Invincible-Klasse, die mit einer Verdrängung von jeweils 22.000 Tonnen nicht größer als ein Hubschrauberträger waren, gehören der Vergangenheit an. Mit der Queen Elizabeth (65.000 Tonnen) und dem noch im Bau befindlichen Schwesterschiff Prince of Wales stößt die Royal Navy in die Königsklasse der „Supercarrier“ vor. 

Die mit Abstand größte Trägerflotte unterhält aber immer noch die US Navy. Derzeit kreuzen zehn atomgetriebene Schiffe der Nimitz-Klasse (100.000 Tonnen) unter dem Sternenbanner über die Weltmeere. Jeder dieser Giganten ist 320 Meter lang und hat mehr als 5.000 Männer und Frauen Besatzung an Bord sowie Platz für bis zu 85 Flugzeuge. Doch auch hier stehen die Zeichen auf Modernisierung. In diesem Jahr wird mit der Gerald R. Ford der erste Träger einer neuen Klasse in Dienst gestellt. Dieses Schiff weist zahlreiche technische Neuerungen auf. So werden etwa die Katapulte, mit denen die Flugzeuge beim Start beschleunigt werden, künftig nicht mehr mit Dampf, sondern elektromagnetisch betrieben. Durch eine stärkere Automatisierung der Abläufe an Bord kommen die Schiffe der Ford-Klasse mit bis zu 30 Prozent weniger Besatzung aus – das spart Kosten. Im August vergangenen Jahres wurde bei der Flugzeugträgerschmiede Newport News Shipbuilding in Viginia bereits der zweite Träger der Ford-Klasse, die  John F. Kennedy, auf Kiel gelegt. 

Durchschnittlich alle fünf Jahre läuft einer dieser Stahlkolosse vom Stapel. Im Bau und Betrieb der schwimmenden Flugplätze haben die Vereinigten Staaten einen Erfahrungsschatz angesammelt, der für andere Nationen auf Jahrzehnte unerreichbar ist. Doch Washingtons Trägerflotte sorgt trotz der eingeleiteten Modernisierung für Diskussionen. So wird immer häufiger der Sinn der 100.000-Tonnen-Supercarrier in Zweifel gezogen. Jüngst haben Marineexperten in einer Studie vorgeschlagen, künftig kleinere Träger zu bauen, diese aber in einer größeren Stückzahl. Nicht immer, so die Argumentation, ist ein Träger mit 80 Flugzeugen notwendig, um den Interessen Washingtons Nachdruck zu verleihen. Häufig würde in kleinerer Träger ausreichen – und wenn dann doch einmal mehr Feuerkraft notwendig sei, könne einfach ein zweiter Träger entsandt werden.

Von diesen Diskussionen sind die anderen Marinen weit entfernt. Sie sind froh, wenn sie überhaupt zwei Träger im Bestand haben. Denn das ist die Voraussetzung dafür, immer ein Schiff einsatzbereit zu haben. Während der eine im Einsatz ist, verbleibt der andere in der Heimat zur Überholung oder Modernisierung in der Werft. Frankreich wird dies in diesem Jahr schmerzhaft erfahren müssen. Der einzige Flugzeugträger Charles des Gaulle, der derzeit mit seinen Jets vom Mittelmeer aus am Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ teilnimmt, muß zum Wechseln der Brennstäbe des Atomreaktors in die Werft und wird erst 2018 wieder einsatzbereit sein.

Deutsches U-Boot sorgt für Überraschung

So unbestritten der Wert der Flugzeugträger für den globalen Machtanspruch eines Staates ist, so verletzlich sind die Schiffe. Eine einzige Rakete oder der Torpedo eines Unterseeboots können einen mit Flugzeugtreibstoff und Munition vollgestopften Supercarrier außer Gefecht setzen oder gar versenken. Aus diesem Grund operieren Flugzeugträger nie alleine, sondern sind ständig von einer Armada von Kriegsschiffen umgeben, um den Träger gegen Angriffe aus der Luft, durch U-Boote oder feindliche Überwasserkräfte zu verteidigen. Doch das ist keine Garantie: Legendär ist die Geschichte des deutschen U-Bootes U 24, das 2001 während eines Manövers von den Sicherungsschiffen unbemerkt neben einem amerikanischen Träger auftauchte. Zuvor hatte der Kommandant des U-Boots einen simulierten Torpedo-Fächer auf den Flugzeugträger abgeschossen und zur Erinnerung ein Zielfoto durch das Periskop gemacht.

Foto: Der US-amerikanische Flugzeugträger George H.W. Bush im Golf von Aden: Alle fünf Jahre läuft einer dieser Stahlkolosse vom Stapel