© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/16 / 04. März 2016

Der König der Tiere vor der Abdankung
In Afrikas Savannen ist der Löwenbestand stark rückläufig
Christoph Keller

Vor 14.000 Jahren durchstreiften Löwen (Panthera leo) das südliche Europa. Am längsten konnten sich die Großkatzen in Griechenland halten, wo sie erst 100 nach Christus ausstarben. Heute, nachdem sie auch aus Nordamerika und Asien seit langem verschwunden sind, droht dem König der Tiere selbst in Afrika, der größten Provinz seines einstigen Weltreichs, das Aus. Um 2050 könnte es nach Einschätzung des Berliner Zoologen Heribert Hofer (Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung) soweit sein, daß dort keine Löwen mehr durch die Savannen streifen.

Hofers Prognose ist nur eine unter den warnenden Stimmen, die der Wissenschaftsjournalist Peter Laufmann in seiner Reportage über die gegenwärtige „Löwendämmerung“ zitiert (Natur, 2/16). So weist Brit Reichelt-Zolho, Afrikaexpertin vom World Wide Fund For Nature (WWF), auf einen erschreckenden Schrumpfungsprozeß hin, der seit den achtziger Jahren zur Halbierung der im 20. Jahrhundert ohnehin weitgehend auf Ost- und Südafrika zurückgedrängten Populationen geführt hat.

Bevölkerungsexplosion raubt Lebensraum für Großkatzen

Hätten Artenschützer 1996 mit geschätzten Beständen zwischen 30.000 und 100.000 Tieren gerechnet, gingen sie aktuell nur noch von 23.000 Exemplaren aus. Davon seien lediglich 10.000 erwachsen und damit fortpflanzungsfähig. In West- und Zentralafrika, wo sich winzige Restpopulationen halten und Nationalparks kümmerliche 20 beziehungsweise 50 Löwen beherbergen, dürfte die eingetretene genetische Verarmung, die der Frankfurter Genetiker Carsten Nowak (Senckenberg-Institut) konstatiert, sogar als Vorstufe ihres Verschwindens aufzufassen sein. Wenigstens 500 Tiere, so Nowak, brauche es langfristig, um genetische Vielfalt sicherzustellen. In Westafrika gebe es aber höchstens noch 400, von denen 250 erwachsen sind – „zu wenige, um ein dauerhaftes und solides Existieren dieser Vorkommen gewährleisten zu können“.

Im Südosten des Kontinents sieht es für den Löwen quantitativ zwar besser aus. Aber die Tiere wurden hier in einer Handvoll von Schutzgebieten wie Selous (3.750 Exemplare), Serengeti (2.500) und dem Krüger-Nationalpark (2.200 Exemplare) regelrecht eingekesselt. Dies ist die Konsequenz der afrikanischen Bevölkerungsexplosion, die wiederum den rasanten Wandel in der Landwirtschaft bedingte, weg von den ökologisch verträglichen, ein Nebeneinander von Mensch und Tier erlaubenden traditionellen Formen wie etwa der Weidewirtschaft, hin zu großflächigen Monokulturen. Damit schwindet der Lebensraum des stärksten Beutegreifers unablässig. Mit „gewaltigen Folgen für die Ökosysteme“, wie Hofer überzeugt ist. Denn ohne den Löwen als „Top-Prädator“ könnten sich Jäger der mittleren Kategorie wie Schakale oder Füchse, aber auch Nahrungskonkurrenten des Menschen wie Paviane ungehindert vermehren.

Gerade weil man die essentielle Bedeutung des Löwen für Afrikas Ökosysteme endlich erkannt habe, betont die WWF-Aktivistin Reichelt-Zolho, werde zumindest in einigen Staaten jetzt kräftig gegengesteuert. Unter dem Zauberwort „Inwertsetzung der Natur“ würden in Namibia erste Erfolge mit dem Ökotourismus erzielt. Ein weiterer Ansatz sei die Vernetzung von Schutzgebieten nach dem Muster der Kavango-Zambezi Transfrontier Conservation Area, die mit ihren 520.000 Quadratkilometern Löwenareale in Nambia, Botswana, Angola, Simbabwe und Sambia verbindet; Anzeichen einer Kehrtwende, aus denen sich die Zuversicht des Zoologen Hofer speist: Fraglos müssen Löwen als bedrohte Art gelten, aber aufgeben sollten Tierschützer deswegen noch nicht.