© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/16 / 04. März 2016

Der Flaneur
Und hier ist Ihr Herzblatt!
Bernd Rademacher

Zu blöd, die Milch vergessen! Wie heißt es so schön: „Was man nicht im Kopf hat, muß man in den Beinen haben.“ Da vorne ist ein Supermarkt; ich halte eben an und springe schnell rein.

He, was ist denn hier los?! Ist das ein Model-Wettbewerb? Oder eine besonders perfide PR-Idee des Marktleiters zur Kundenbindung? Die drei Kassiererinnen sehen eher wie Weinköniginnen aus. Eine umwerfender als die andere!

An Kasse 1 sitzt eine schokobraune Schönheit mit glatten schwarzen Haaren und bezauberndem Blick. Ihr Namensschild am Kittel mit dem englischen Nachnamen deutet vielleicht auf indische Abstammung hin. An Kasse 2 thront eine rothaarige Osteuro­päerin, eine Russin vielleicht, mit Augen, blau und tief wie ein Bergsee. Sie rollt das R, daß es einem wie ein erotischer Schauer über den Rücken läuft. An Kasse 3 eine Studentin mit entzückender Stupsnase und sinnlichem Mund.

Ich wähle Nummer zwei. Doch kein Showmaster weit und breit, der uns zusammenführt.

Das erinnert mich an diese Unterhaltungssendung mit Rudi Carrell aus der Kreidezeit der Fernsehgeschichte. Da traf ein Kandidat auf drei unbekannte Frauen und mußte sich für eine entscheiden. Am Schluß hieß es: „Und hier ist Ihr Herzblaaaatt!“ Ich überlege, an welcher Kasse ich mich anstellen soll. Die Entscheidung fällt unendlich schwer.

In der Vorabendshow faßte eine Frauenstimme aus dem Off die Vorzüge der Partnerinnen für den Kandidaten nochmal zusammen. Ich höre sie im Kopf: „Tja, wer soll denn nun dein Herzblatt sein: die indische Tempeltänzerin, die rote Anastasia oder die Walküre mit der süßen Nase?“

Ich wähle Nummer zwei. Piep – „einsdrrreiundfinfzig“, sagt sie lächelnd zu mir. Doch kein Showmaster weit und breit, der uns letztlich zusammenführt. Darum fliegen wir beide nicht wie am Ende jener Sendung mit dem „Herzblatt-Hubschrauber“ an ein kuscheliges Traumziel. 

Statt dessen steige ich allein wieder ins Auto ...