© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 11/16 / 11. März 2016

„Trump ist kein Konservativer“
Das Politmagazin „National Review“ hat in einem Aufruf zwölf der wichtigsten konservativen US-Publizisten eingeladen, gegen Donald Trump Stellung zu nehmen. Eine von ihnen ist die Journalistin und Bestsellerautorin Mona Charen
Moritz Schwarz

Frau Charen, warum haben Sie sich am Aufruf „Konservative gegen Trump“ der Zeitschrift „National Review“ beteiligt?

Mona Charen: Weil Donald Trump das größte Täuschungsmanöver in der Geschichte der US-Parteipolitik betreibt!

Ein starkes Wort.

Charen: Donald Trump ist kein Konservativer. Er ist mit konservativen Inhalten, Überzeugungen und Philosophien überhaupt nicht vertraut! Der Mann ist ein Reality-TV-Star auf der Suche nach größerer Dosis, der derzeit nur den Konservativen spielt.

Das sagen Sie; Trump und die relative Mehrheit der republikanischen Unterstützer in den bisherigen Vorwahlen sind da offenbar anderer Meinung.

Charen: Man kann meinetwegen darüber debattieren, ob Donald Trump ein Flegel („Meine Finger sind lang und schön, so wie andere Teile meines Körpers“), ein Unhold („Wäre Ivanka nicht meine Tochter, vielleicht hätte ich ein Rendezvous mit ihr“) oder eine Laus ist (er hat versucht, eine ältere Dame aus ihrem Haus in Atlantic City werfen zu lassen, weil er den Grund für den Bau einer Garage nutzen wollte). Über eines aber können wir nicht debattieren, und das ist, daß Trump definitiv kein Konservativer ist!

Die „Süddeutsche Zeitung“ allerdings nennt Trump den „Helden der wütenden Konservativen“.

Charen: Donald Trump stellt für die konservative Bewegung der USA – deren politische Hoffnungen von der Republikanischen Partei verkörpert wurde – eine fundamentale Herausforderung dar. Denn dieser politische Luftpirat hat die Partei quasi in seine Gewalt gebracht! Daher ist eine Aktion wie „Konservative gegen Trump“ auch kein Widerspruch, sondern folgerichtig und dringend notwendig. 

Wenn Trump kein Konservativer ist, warum hat er sich dann die Republikaner ausgesucht?

Charen: Weil er wohl davon ausging, daß Hillary Clinton die Demokraten schon fest im Griff hat. 

Wenn Trump kein Konservativer ist, warum haben ihm die Republikaner dann eine Chance gegeben? 

Charen: In den USA haben politische Parteien nur geringe institutionelle Macht. Ihre Struktur ermöglicht es Kandidaten, die genug Geld haben und in der Lage sind, genug Unterstützer zu organisieren, sich durchzusetzen. Der Parteiapparat hatte also gar nicht die Macht, um Trump draußen zu halten.

Wenn Trump kein Konservativer ist, warum wird er uns von deutschen Medien dann immer wieder dennoch so vorgestellt?

Charen: Vermutlich weil Einwanderungsbegrenzung eines seiner Hauptthemen ist. 

Und ist das nicht konservativ?

Charen: Doch, aber deshalb ist Trump noch kein Konservativer.

Sondern?

Charen: Im Grunde ist Trump viel eher ein Demokrat als ein Republikaner. Allerdings – wer weiß? Es ist einfacher, den Verlauf des Balls in einem Flipperspiel vorherzusagen, als Donald  Trumps politische Überzeugung festzustellen. Mal beschimpft er jene, die Moslems angeblich „unnötigerweise provozieren“, dann wiederum fordert er, die Staatsgrenzen für Moslems, die ihren Wohnsitz nicht in den USA haben, vorübergehend zu schließen. Oder: Lange sprach sich Trump für die Arbeit der Abtreibungsorganisation Planned Parenthood aus – jetzt ist er dagegen angeblich für Lebensschutz. Ich könnte Ihnen noch viele solcher Beispiele nennen. Das Gute daran ist: Wenn Ihnen eine politische Position Donald Trumps nicht gefällt – kein Problem! Warten Sie einfach ein paar Wochen, bis er sie revidiert – vielleicht dauert es auch nur Tage.

Wenn Trump kein Konservativer ist, warum hat er dann solchen Erfolg bei den konservativen Wählern?

Charen: Hat er den? Tatsächlich haben jene Wähler, die erklären, besonders konservativ zu sein, bisher eher für die Kandidaten Marco Rubio oder Ted Cruz gestimmt. Trump holt dagegen vielmehr die Moderat-Konservativen und die Liberalen in der republikanischen Wählerschaft ab.

Die „Liberalen“? 

Charen: Ja, und selbstkritisch müssen wir Konservativen einräumen, daß wir möglicherweise unterschätzt haben, daß der durchschnittliche republikanische Wähler unser Ideal vom möglichst reduzierten Staat nicht teilt und daher bewußt Trump gewählt hat, statt einen echt konservativen Kandidaten.

Aber Trumps Erfolg beruht doch auf eben jenem Vorbehalt des konservativen Wählers gegen das politische Establishment.

Charen: In der Tat, der verhängnisvolle Weg für den Erfolg Donald Trumps wurde von vielen angeblich konservativen Radiostationen und sonstigen konservativen Medien geebnet, die während der Präsidentschaft Barack Obamas nicht nur diesen kritisiert haben, sondern ebenso verbreiteten, die republikanische Führung habe die eigenen Wähler betrogen. Und zwar indem diese zuwenig Widerstand gegen Obama geleistet habe, weil sie schwach und korrupt sei. Einer, der dieses Mißtrauen gegen die eigene Partei mit geschürt hat, weil er glaubte, die damit entstehende Welle reiten zu können, war Ted Cruz. Dann aber kam Donald Trump des Weges und konnte einen noch größeren Außenseiterbonus vorweisen und das Vorurteil, daß der wahre Feind nicht Obama, sondern das eigene Parteiestablishment sei, für sich und – wie wir heute sehen – sogar gegen Ted Cruz nutzen. 

Also ist die Tea Party schuld an Trump?

Charen: Die Tea-Party-Anhänger stimmen eher für die echt konservativen Kandidaten als für Trump. Nein, es sind jene, die den Wählern nicht erklärt haben, daß die Republikaner, auch nachdem sie die Mehrheit in den Parlamenten gewonnen hatten, die Politik Präsident Obamas nicht einfach „drehen“ konnten. Und zwar deshalb, weil wir Gewaltenteilung haben und man, selbst wenn man im Besitz der parlamentarischen Macht ist, nicht einfach über den Präsidenten und dessen Vetorecht hinweg Politik machen kann. Das hat nichts mit „Verrat“ zu tun – sondern mit unserer Verfassung. 

In Deutschland gilt als Grund für Trumps Erfolg die Frustration der „weißen Männer“, die früher gute Chancen auf sozialen Aufstieg hatten und brav das Establishment wählten. Die Welt aber habe sich verändert, und das Establishment könne diesen Amerikanischen Traum nicht mehr garantieren. So wende sich der weiße Mann wütend ab und „Populisten“ wie Trump oder Bernie Sanders zu. 

Charen: Bis zu einem gewissen Grad trifft auch das zu. Vor allem unter Präsident Obama und den Demokraten ist das Leben für die Amerikaner schlechter geworden. Aber es ist nicht nur das. Es ist auch, daß die Linke die Einheit der Amerikaner untergraben hat, indem sie Identitätspolitik betreibt. Das heißt, sie macht Politik für einzelne Bevölkerungsgruppen, etwa für Schwarze oder für Hispanos, etc. Trump hat genau das ausgebeutet, indem er als Vertreter der weißen Wähler und in der Tat mit einem gewissen Ethnozentrismus und Rassismus auftritt. Das ist häßlich und verstörend. Wir Konservativen lehnen eine solche Aufsplitterung des amerikanischen Volkes ab. 

Gibt es denn nichts Positives an Trump?

Charen: Zum Beispiel?

Zum Beispiel, daß er für eine klare Zuwanderungsbegrenzung eintritt.  

Charen: Daß ich nicht lache. Obwohl ich Sie verstehe, denn die Zuwanderung ist bei Ihnen in Deutschland ja gerade ein großes Problem. Aber Trump hat diesen völligen Unsinn vorgeschlagen, eine Mauer zu bauen. Unsinn deshalb, weil fast die Hälfte der illegalen Einwanderer gar nicht heimlich nachts über die Grenze schleicht, sondern durch Dokumentenbetrug ins Land kommt. Oder es wird argumentiert, eine Mauer würde Terroristen abhalten. Wie einfältig. Es kommen mehr Terroristen über Kanada ins Land als über Mexiko – da will aber keiner eine Mauer bauen. Nein, was Amerika zur Zuwanderungsbegrenzung braucht, ist keine Mauer, sondern endlich die konsequente Anwendung der Gesetze! Und noch eines: Trumps angebliche strikte Haltung bezüglich illegaler Einwanderung ist sowieso heuchlerisch, denn er beschäftigt viele Illegale in seinen eigenen Firmen. Und noch 2012 hat er Mitt Romney dafür kritisiert, in der Frage zu aggressiv zu sein. 

Oder etwa, daß Trump eben kein Politiker und weitgehend unabhängig ist. Daß er keine Angst vor der Macht von Lobbygruppen oder der Medien hat. Und daß er das Land mit neuem Stil führen würde.

Charen: Der konservative Publizist William Kristol sagt in seinem Beitrag für den National Review, daß mit Trump ein Cäsarismus Einzug hält, den die amerikanischen Konservativen immer verachtet haben. Er hat völlig recht. Trump würde sogar noch mehr von jenen machtmißbräuchlichen Handlungen begehen als Präsident Obama! Der Kern der konservativen Idee in den USA ist es, daß die Regierungsmacht – im besonderen die Macht des Präsidenten – begrenzt werden muß, weil unser Land aus der Überzeugung geboren wurde, daß Macht limitiert werden muß, damit Freiheit besteht. Trump dagegen ist letztlich ein Liberaler, der keineswegs Ausgaben und Einfluß des Staates reduzieren will – im Gegenteil, er will einen starken Staat. Deshalb hat er auch so freundliche Worte etwa über Putin, die Schlächter vom Platz des Himmlischen Friedens, ja sogar über Saddam Hussein gefunden,  was uns konservative Republikaner sehr peinlich berührt hat. Trump bewundert diese Machtmenschen – und das macht uns Angst.

Trump würde Ihnen wohl entgegnen, daß Sie eben auch nur eine Angehörige des Establishments sind, die versucht, ihre Pfründe zu erhalten. 

Charen: Da haben Sie völlig recht, genau so würde er argumentieren. Aber: So ein Unsinn! Ich arbeite seit 1986 nicht mehr für die Regierung. Welche Pfründe habe ich zu verteidigen? Ich bin selbständige Publizistin und wirtschaftlich völlig unabhängig vom politischen Establishment. 

Es gibt immer mehr konservative Initiativen gegen Trump. Aber werden diese erfolgreich sein? 

Charen: Das ist die große Frage, die uns allen derzeit den Schlaf raubt. Die beste Strategie wäre wohl, Rubio und Cruz würden eine Absprache treffen, sich nicht mehr gegenseitig zu attackieren und am Ende denjenigen von beiden bereitwillig als Favoriten zu unterstützen, der mehr Wahlmänner gewinnt. Dafür würde der Unterlegene im Fall eines Präsidentschaftswahlsiegs der Republikaner zum Vizepräsidenten berufen. Ich würde bei dieser Strategie die Konstellation Rubio/Cruz bevorzugen – aber es sieht momentan so aus, als liefe es – wenn, dann – eher auf die Konstellation Cruz/Rubio hinaus. Hauptsache aber, Trump wird gestoppt. Ob das aber überhaupt gelingt? Ehrlich, ich weiß es nicht. Ich glaube, die Chancen dafür stehen höchstens fünfzig zu fünfzig.   

Gewinnt Trump die Vorwahlen, so Experten, dann verlieren die Republikaner die Präsidentschaftswahl gegen Clinton.

Charen: Das befürchte ich auch ...

Gewinnt Trump nicht, wird er als Unabhängiger antreten, viele Wähler mit sich nehmen, und die Republikaner verlieren die Präsidentschaftswahl ebenfalls.

Charen: Ja, auch das befüchte ich. Aber besser wir verlieren die Präsidentschaftswahl als unsere Identität. 

Der Konservative Glenn Beck meint: „Trumps Vorwahlsieg würde Clinton den Weg ins Weiße Haus ebnen. Aber das wäre nicht das Schlimmste. Das Schlimmste wäre, daß es dann erneut keine Opposition gegen eine stets nach Expansion strebende Regierungsmacht mehr gäbe. Das wäre die wahre Krise des Konservatismus!“  

Charen: Das fürchte ich auch. Und die Republikaner sollten sich auch Gedanken machen, wie sie solch eine Situation bei kommenden Wahlen von vornherein verhindern können. 






Mona Charen, die Publizistin und Politikberaterin an der konservativen Denkfabrik Ethics and Public Policy Center in Washington D.C. publiziert in zahlreichen amerikanischen Zeitungen, wie etwa dem Boston Globe, schrieb 2003 und 2005 je einen politischen Bestseller und ist regelmäßig zu Gast in Radio und Fernsehen. Sie saß in der Jury des Pulitzer-Preises und gehörte zusammen mit dem konservativen Vordenker Pat Buchanan jahrelang zur Stammbesatzung der politischen Fernsehtalkshow „Capital Gang“ auf CNN. Ihre Karriere begann sie im Stab von US-Präsident Ronald Reagan, war etwa Redenschreiberin von dessen Frau Nancy, sowie des republikanischen Vizepräsidentschaftskandidaten und späteren US-Bundesministers Jack Kemp. Geboren wurde die Juristin 1957 in New York.

Foto: Kandidat Trump am 4. März vor seinen Anhängern in Michigan: „Mit Donald Trump hält jener Cäsarismus Einzug, den der amerikanische Konservatismus seit jeher verachtet hat“

 

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