© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 12/16 / 18. März 2016

„Der Massenzustrom soll Geschichte sein“
Zuwanderung: Balkanstaaten schließen Flüchtlingsroute / Bange Blicke nach Idomeni in Griechenland
Michael Link

Seit einer Woche keine Ankünfte mehr in Spielfeld“ titelt die Kleine Zeitung. Lediglich drei Personen seien am südsteirischen Autobahngrenzübergang in Richtung Slowenien aufgegriffen worden. Auch Bundesheer und   Rotes Kreuz zögen nach der Schließung der Balkanroute einen Teil ihres Personals an der Grenze ab.

Die Abriegelung der Route verhindere, daß unter den Flüchtlingen falsche Hoffnungen geschürt werden, verteidigte Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) die Grenzschließung in der Welt. Die Balkanroute bleibe geschlossen – und zwar dauerhaft. Der unkontrollierte Massenzustrom über diese Route müsse Geschichte sein, so die liberal-konservative Politikerin. Wenn Europa dabei konsequent bleibe, dann werde auch „der Migrationsdruck aus der Türkei nach Griechenland sinken“.

Bulgarien fordert mehr Unterstützung 

Nach der Schließung der Balkanroute erhöhte sich nach Angaben des Krisenstabs in Athen am vergangenen Wochenende die Zahl der Flüchtlinge in Griechenland auf 36.000. Stündlich steige die Zahl, weil immer mehr Flüchtlinge aus der Türkei ankämen. Allein im Lager Idomeni an der mazedonischen Grenze harrten am Sonntag 12.000 Menschen aus, verweigerten die Verlegung in griechische Aufnahmelager  und suchten mit breiter Unterstützung von westlichen Flüchtlingshelfern Alternativübergänge. Doch die starke Präsenz von Polizei und Militär aus diversen EU-Ländern an der mazedonischen Grenze hielt sie auf.

Bereits vergangene Woche hatte ein Mitglied der Aktivisten des „Moving Europe Teams“ mit Sitz in Berlin-Kreuzberg (JF 43/15) in einem Interview mit Medico international unterstrichen, daß „in den letzten Tagen eine riesige Armada an Freiwilligen von überall her in Idomeni eingetroffen“ sei. 

Seit Jahresbeginn setzten bereits mehr als 132.000 Migranten aus der Türkei zu den griechischen Inseln über. Jetzt wollen die Anrainerstaaten der Balkanroute verhindern, daß Flüchtlinge alternative Routen über ihre Staatsgebiete suchen – wie etwa zur Zeit 2.000 Flüchtlinge, die über Serbien nach Albanien weiterreisen. Vorsorglich rief Ungarn den Krisenzustand aus, der der Polizei mehr Rechte einräumt und dichtere Personenkontrollen ermöglicht. Direkt an der Grenze wird die Präsenz von Polizei und Militär verstärkt. Auch Bulgariens Innenministerin Rumjana Batschwarowa erklärte: „Wir haben das Risiko erkannt und ergreifen alle Maßnahmen dagegen.“

Sofia befürchtet, zur Ausweichroute zu werden, wenn sämtliche in der Ägäis aufgegriffenen Migranten in die Türkei zurückgeschickt würden. Ein Angebot der Türkei sieht nämlich vor, daß die EU alle illegal ankommenden Menschen von den griechischen Inseln wieder in die Türkei zurückschicken kann. Gleichzeitig sollen aber ebenso viele Flüchtlinge legal aus der Türkei in die EU kommen. Auf dem Gipfel am 17. und 18. März will die EU ein entsprechendes Bündnis mit der Türkei schließen, das die Eindämmung des Flüchtlingszustromes nach Griechenland in geordnete Bahnen lenken soll.

In einem Schreiben an den polnischen EU-Ratspräsidenten Donald Tusk forderte der bulgarische Premier Bojko Borissow den Schutz aller EU-Außengrenzen zur Türkei. Die EU dürfe sich nicht einzig auf die Überwachung der griechisch-türkischen Seegrenze konzentrieren, zumal man die Richtung der Flüchtlingsströme schwer voraussehen könne, heißt es in dem Brief. Bulgarien plädiert dafür, daß die Aufhebung der Visafreiheit für türkische Bürger nicht an Daten gebunden werden sollte, sondern an konkrete Ergebnisse bei der Umsetzung des Rücknahmeabkommens zwischen der Türkei und der EU. Sofia verlangt überdies, daß die nötigen Mittel für alle vom Flüchtlingsstrom betroffenen Länder vorgesehen werden, damit das Abkommen über die Rückführung illegaler Migranten in die Türkei tatsächlich umgesetzt werden kann.