© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/16 / 25. März 2016

Die Technologiemesse und die Digitalisierung der Wirtschaft
Einfach überlebt
Thomas Fasbender

Digitalisierung steht in Deutschland ganz oben auf der Agenda – und ganz unten in der Wirklichkeit. Seit Jahren predigen Politiker das Mantra der neuen Zeit: Breitbandausbau, Gigabit-Ziel, Cloud-Computing. Fragt man die Wirtschaft, dann ergibt sich ein anderes Bild: Hauptkommunikationsmittel ist das Telefon, Nummer zwei die E-Mail, Nummer drei das Fax. Was bei App-Entwicklern als old school gilt, ist bei 80 Prozent der Firmen voll im Einsatz: der Fernkopierer.

Videokon­ferenzen nutzt gerade einmal die Hälfte der Unternehmen. Mit sozialen Medien wie Facebook oder Twitter arbeiten überhaupt nur 15 Prozent. Digitalisierung provoziert vor allem Ängste: Datenschutz, Vorratsdatenspeicherung, freies WLAN. Da kann die Kanzlerin noch so oft sagen: „Die Zeit drängt“ – es geschieht zu wenig und das zu langsam. Auch Sigmar Gabriels Strategiepapier „Digitale Agenda 2025“ wird nichts ändern. Das Thema Breitbandausbau wollte Angela Merkel schon bis 2009 gelöst haben, da war sie wohlgemerkt bereits Kanzlerin. Später hieß es, bis 2014 sollte jeder mit 50 Mbit je Sekunde am Internet hängen. Ein gutes Drittel aller Haushalte surft allerdings immer noch deutlich langsamer. Inzwischen gilt die neue Ziellinie 2018 – Hauptsache nach der nächsten Bundestagswahl. Sollten dann wirklich alle deutschen Haushalte mit 50 Megabit angebunden sein, haben andere Länder längst das Gigabit-Niveau erreicht.

Sehen die Deutschen ihr Heil vielleicht gar nicht in Gigabits? Die Cebit ist nur noch ein Schatten ihrer selbst. Als der Microsoft-Gründer Bill Gates vor 21 Jahren in Hannover das nagelneue Windows 95 vorstellte, strömten über 750.000 Besucher aufs Messegelände. Im Vorjahr waren es gerade noch 200.000. Nun steht die Messe inzwischen nur noch dem Fachpublikum offen. Doch wenn es um Innovationen geht, um das Gefühl von Zukunft und virtueller Grenzenlosigkeit, haben Las Vegas, Austin und Barcelona längst die Nase vorn.

Immerhin hat der Deutsche-Messe-Chef Oliver Frese 2016 das Cloud-Schwergewicht Salesforce mit zwei kompletten Hallen an Bord geholt. Dafür verabschiedete sich der Publikumsmagnet Code-N. Der Start-up-Wettbewerb in der Code-N-Halle war mit über 80.000 Besuchern das Highlight für die junge Generation. Initiator Ulrich Dietz, Vorstandsvorsitzender des Stuttgarter Softwarehauses GFT, will Code-N künftig in einer baden-württembergischen Stadt ansiedeln – nicht nur in einer einzigen Halle, sondern parallel an mehreren Orten.

Das Problem ist nicht Deutschland: Veranstaltungen wie re:publica in Berlin oder in Hamburg das Reeperbahn Festival und die Next Conference zeigen, daß und wie es geht. Vielleicht hat sich das „Centrum der Büro- und Informationstechnik“ (Cebit) unter dem Dach der Deutschen Messe AG auch einfach überlebt.