© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/16 / 25. März 2016

Das Ende der Demokratie
Zur Debatte um die Zukunft der Volksherrschaft
Felix Dirsch

Die Zukunft der Demokratie ist nicht gesichert. Der Eintritt in das Zeitalter der Globalisierung bringt die Schleifung der Bastionen dieser Staatsform. Demokratie lebt traditionell vom nationalen Raum und von nationalen Repräsentanten. Mit der internationalen Digital-Kommunikation und der wirtschaftlichen Globalität sinkt die Bedeutung relativ überschaubarer Territorien unablässig. 

Formell fügen die genannten Veränderungen den demokratischen Einrichtungen keinen Schaden zu. Faktisch jedoch sind sie schon seit geraumer Zeit ins postdemokratische Stadium eingetreten. Colin Crouch sieht in seinem Klassiker „Postdemokratie“ den Grund für die resignativen Stimmungslagen in der Dominanz neoliberaler Finanzeliten. Doch die Öde der Entpolitisierung läßt weitere Gründe erkennen, nicht zuletzt die Austauschbarkeit des politischen Führungspersonals und die Machtlosigkeit der nationalen Parlamente, deren Abgeordnete im Eiltempo das abnicken, was kleine Runden im Hinterzimmer vorher ausgekungelt haben.

Selbst Kritikern ist die Tragweite nicht bewußt

In den letzten Jahren zeigt sich mehr und mehr, daß der wirtschaftliche und politische Aufstieg eines Staates nicht an demokratisch-rechtsstaatliche Strukturen geknüpft ist. In seinem Beitrag „Die neuen Despotien“ in der Zeitschrift Merkur, der den Untertitel „Vorstellungen vom Ende der Demokratie“ trägt, machte der australische Politikwissenschaftler John Keane deutlich, daß einige von ihm als „Despotien“ eingestufte Staaten, von China über Rußland bis zu Saudi-Arabien, einen ökonomischen wie politischen Frühling erleben. Sämtliche Regierungen dieser Länder berufen sich laut Keane auf das Volk, das umgarnt wird, faktisch jedoch ausgeschaltet ist.

Die ultimative Diskussion über die Zukunft der Demokratie im nationalen Kontext steht noch aus. Eine klassische Richtung der Demokratietheorie, von Jean-Jacques Rousseau bis Carl Schmitt, nimmt an, daß Demokratie eine wenigstens relative Homogenität der Bevölkerung voraussetzt. Die zunehmende Multikulturalisierung durch den derzeitigen Immigrationsschub dürfte jedoch Tendenzen in Richtung eigener Repräsentationsorgane verstärken. Der ethnischen Fragmentierung wird bald  die politische folgen. Daß dadurch das Ende der Demokratie, wie wir sie kennen, beschleunigt wird, ist wahrscheinlich. Selbst den meisten Kritikern der jüngsten Einwanderungswelle dürfte die Tragweite der Umbrüche nicht bewußt sein.