© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/16 / 25. März 2016

„Das ist kein Reserveparlament“
Mehr als eine Lokalposse: In Bremen darf die AfD nicht in den Rundfunkrat – noch ist das ein Einzelfall
Christian Seeck

Es sind genau 84 Wörter eines Satzes im Text des neuen Radio-Bremen-Gesetzes, die in Bremen für Aufregung sorgen. Der Inhalt läßt sich allerdings schnell zusammenfassen: Künftig sind nur noch Parteien im Rundfunkrat des kleinsten Bundeslandes vertreten, die in Fraktionsstärke im Parlament sitzen. Und noch kürzer: Die AfD ist raus. 

Laut dem vorher geltenden Gesetz hätte der Partei ein Sitz in dem Kontrollgremium zugestanden. Voraussetzung war ursprünglich, daß eine Partei bei den Wahlen zur Bremischen Bürgerschaft mehr als fünf Prozent der Stimmen erreicht haben mußte. Dies war der AfD im vergangenen Jahr mit 5,5 Prozent gelungen. Nun muß es also eine Fraktion sein. Die allerdings hat die AfD nach dem Übertritt von drei der vier Abgeordneten zur Alfa-Partei von Bernd Lucke nicht. 

Die rot-grüne Mehrheit im Parlament will die Neuregelung nicht als „Lex AfD“ verstanden wissen. Vielmehr setze das Land damit ein Urteil des Bundesverfassunsgerichtes um, das die Einschränkung des Einflusses politischer Parteien auf die Rundfunkräte fordert. Zudem solle eine „Zersplitterung“ des Gremiums verhindert werden. Den derzeitig einzigen AfD-Bürgerschaftsabgeordneten überzeugt das nicht. „Die AfD soll mit allen Mitteln kleingehalten werden“, sagte Alexander Tassis der jungen freiheit. Auch das Argument, es gehe um weniger politischen Einfluß, hält Tassis für vorgeschoben. Nun würden dort alle möglichen Interessengruppen sitzen, die sowieso schon Grünen und SPD nahestehen, monierte der Abgeordnete. 

Wieviel Einfluß haben die Rundfunkräte?

Tassis bedauerte, daß er seine politischen Gegner nun in den Diskussionen nicht stellen könne. Gerade als homosexueller Migrant hätte er einiges sagen können. Aber dazu wird es nun nicht kommen. Neben Tassis stimmten auch CDU und Alfa gegen das Gesetz. FDP und Linke enthielten sich. Die Union kritisierte jedoch eine andere Änderung. 

Hatte Radio Bremen bisher den Auftrag, sich für die nachhaltige Integration von „Menschen mit Migrationshintergrund“ einzusetzen, wird dieser Passus nun auf Flüchtlinge ausgedehnt. Damit werde den Journalisten vorgegeben, „was sie machen sollen“, heißt es aus der CDU. Neu vertreten in dem 30köpfigen Gremium sind nun ein Vertreter der Aleviten, des Lesben- und Schwulenverbandes sowie der Humanistischen Union.

Gibt es nun aber Bestrebungen, die AfD aus den Rundfunkräten herauszuhalten? Zumindest für den MDR kann das ausgeschlossen werden. Dort sitzt seit Dezember 2015 der Thüringer AfD-Politiker Jens Dietrich im Rat. Ein deutschlandweites Novum. Schlecht behandelt fühlt er sich nicht. Gegenüber der jungen freiheit spricht der Chemiker von einem zivilisierten Umgang. „Ich saß auf der ersten Sitzung zwischen dem Vertreter des DGB und des Landesjugendringes, da gab es kein Problem.“ Es werde sich damit arrangiert, „daß die AfD kein kurzfristiges Phänomen ist“, sagt Dietrich. Der Einfluß des Gremiums sei zudem begrenzt. „Man darf sich da keine falschen Vorstellungen machen. Der Rundfunkrat ist kein Reserveparlament.“ Rein politische Debatten seien eher selten. Meist gehe es um formelle Dinge. Etwa die Wahl des Verwaltungsrates des MDR oder die Absegnung des Budgets. „Der Rundfunkrat ist erst mal ein Aufsichtsgremium“, stellt Dietrich klar. Zudem können die Mitglieder Anfragen an den öffentlich-rechtlichen Sender stellen, die auch alle beantwortet werden. Trotz der oft überschätzten Macht der Rundfunkräte kostet die Arbeit viel Zeit. Bis zu vier Stunden dauert eine der etwa zehn Sitzungen des Rates, verrät Dietrich. Hinzu kommt die Arbeit in Unterausschüssen. 

Einen direkten Einfluß auf das Programm haben die Institutionen allerdings nicht. So heißt es etwa in Bremen: „Eine Kontrolle einzelner Angebote vor ihrer Ausstrahlung oder Veröffentlichung ist nicht zulässig.“ Inhaltlich steht das so in allen Gesetzen zu den Rundfunkräten der öffentlich-rechtlichen Sender. Die wichtigste Aufgabe ist sicherlich die Wahl der Intendanten. Aber auch hier ist die AfD weit davon entfernt, ihre möglichen Kandidaten durchsetzen zu können. 

Also viel heiße Luft um nichts? In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz hat die AfD mit ihren Wahlerfolgen genug Rückenwind, um auf einen Sitz im SWR-Rundfunkrat zu pochen. Drei Landtagsabgeordnete aus den beiden Ländern, die noch im Rundfunkrat sitzen, haben ihre Mandate nun verloren. „Es ist sehr wahrscheinlich, daß die neuen Landtage – irgendwann nach ihrer Konstituierung – anhand der neuen Kräfteverhältnisse über die Entsendung neu entscheiden“, teilte der SWR auf Anfrage der JF mit. Zudem könne jedes Mitglied „bei Verlust der Mitgliedschaft in der entsendenden Organisation oder aus wichtigem Grund von der entsendenden Stelle praktisch jederzeit abberufen“ werden. 

Hier müssen die anderen Parteien, die bereits in dem Gremium vertreten sind, nun eine Entscheidung treffen. Die für sie schlechtgelaufene Debatte um die Aus- und Einladung der AfD vor den Landtagswahlen werden sie nicht vergessen haben.