© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/16 / 01. April 2016

Kritik aus den eigenen Reihen
CSU: In der Asylkrise sorgt die Basisbewegung „Konservativer Aufbruch“ für ständigen Druck auf die Parteiführung
Michael Paulwitz

Nach dem „Super-Wahlsonntag“ sah es zunächst so aus, als hätte im Unionslager nur die CSU die verheerende Wahlniederlage der Kanzlerinnenpartei CDU bemerkt. Nach dem bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chef Horst Seehofer, der noch am Wahlabend einen Kurswechsel in der Asylpolitik gefordert hatte, meldete sich gleich eine ganze Riege hochrangiger Christsozialer mit wütender Kritik und Weckrufen an CDU und Kanzlerin zu Wort.

Hans-Peter Friedrich, Unions-Frak–tionsvize und Präsidiumsmitglied der CSU, trommelte per Twitter-Gewitter für ein „Zurück zum Markenkern“. Konservative Unionsmitglieder sollten nicht austreten, sondern für einen „Richtungswechsel“ kämpfen; der „Merkel-Flügel der CDU“ könne sich „ja ins rot-grüne Team verabschieden“, mit dem er sowieso „ein politisches Lager“ bilde. Ex-Verkehrsminister Peter Ramsauer will die Union wieder als „Mitte-rechts-Partei“ positionieren. Die CDU sei so weit nach links gerückt, daß rechts von ihr „noch immer die Mitte“ sei; die heimatlosen Unionswähler seien bei der AfD gelandet.

So wie die von Ramsauer zitierten CSU-Ortsvorsitzenden, die derzeit lieber keine Merkel-Plakate kleben wollten, denken nicht wenige in der bayerischen Regierungspartei. Daß prominente Parteigrößen die Kritik derart unverblümt aufgreifen, darf sich nicht zuletzt der „Konservative Aufbruch“ (KA) als Erfolg auf die Fahnen schreiben. Im Juni 2014 gegründet, kann die „CSU-Basisbewegung für Werte und Freiheit“ gut anderthalb Jahre später nach Angaben von Mitgründer und Sprecher David Bendels mehr als zehntausend CSU-Mitglieder als Unterstützer verzeichnen. In einer Partei mit 145.000 Mitgliedern ist das eine Hausmacht, die man nicht einfach ignorieren oder kaltstellen kann.

Profiliert hat sich der „Konservative Aufbruch“ mit intensiver Medienarbeit und beharrlichen Wortmeldungen zu konservativen Reizthemen. Ein Positionspapier fordert „Mut zur deutschen Sprache“, ein anderes rechnet mit der planlosen „Energiewende“ ab. Gender-Kritikerin Birgit Kelle ist gerngesehener Gast bei KA-Veranstaltungen, Bendels selbst trat auch schon bei der „Demo für alle“ in Stuttgart auf.

Vor allem aber sieht der Oberfranke die jüngsten Äußerungen von Parteiführung und CSU-Prominenz gegen die „von Bundeskanzlerin Merkel verursachte Masseneinwanderungskrise“ als Erfolgsbestätigung, daß eine entschlossene Basisbewegung auch innerhalb einer großen Volkspartei etwas verändern kann: „Alle diesbezüglichen Forderungen, die Horst Seehofer und der Parteivorstand nun seit einigen Monaten erheben, haben wir als KA bereits im Herbst 2014 aufgestellt“, sagt Bendels mit Blick auf ein entsprechendes Positionspapier, das bereits die Aussetzung des Schengen-Abkommens und Grenzkontrollen notfalls in Landesregie gefordert hatte.

Ex-Bundesinnenminister Friedrich gehört zu den CSU-Prominenten, die schon als Gastredner auf Veranstaltungen des „Konservativen Aufbruchs“ aufgetreten sind. Er erhalte laufend zustimmende Nachrichten auch von Landtagsabgeordneten und Mitgliedern des Parteivorstands, berichtet Bendels. „Ihr hattet von Anfang an recht, ihr wart früher dran als die Parteiführung, man hätte eher auf euch hören müssen“, sei der Tenor.

Daß die plötzliche Aufmerksamkeit auch taktische Motive hat, ist Bendels klar: Eine starke Stimme wie der KA halte Konservative in der CSU und verhindere, daß sie zur AfD abwanderten. Mit Ankündigungspolitik will er sich daher nicht zufriedengeben; den Worten müßten jetzt Taten folgen. Ein Prüfstein ist für Bendels, daß die angedrohte Verfassungsklage des Freistaats gegen die Asylpolitik der Kanzlerin auch tatsächlich eingereicht wird: Wenn jetzt nach Ostern nicht bald etwas geschehe, werde man den Druck auf die Parteiführung weiter erhöhen.

Für Bendels geht es nicht nur darum, die CSU vom Linksruck und Abwärtstrend der Merkel-CDU abzukoppeln; auch die CDU müsse „wieder mehr nach rechts integriert werden“. Von einer bundesweiten CSU hält der „Konservative Aufbruch“ wenig; aber eine wieder „rechts der Mitte“ eingeordnete CDU kann Bendels sich durchaus als Koalitionspartner der AfD vorstellen, wenn diese sich als seriöse Kraft etabliere. Natürlich erst in einer Zeit nach Merkel; die sei die „größte politische Fehlbesetzung in der deutschen Nachkriegsgeschichte“ und müsse zur Schadensbegrenzung schnell zurücktreten. So weit gehen bisher freilich weder Söder noch Seehofer.