© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/16 / 01. April 2016

Das bekannteste deutsche Gesetz
Getränkeindustrie: Bayerische Bierbrauer feiern dieses Jahr 500 Jahre Reinheitsgebot / Seit 110 Jahren ist der Erlaß von Herzog Wilhelm IV. in ganz Deutschland Vorschrift
Wolfhard H. A. Schmid

China hat Deutschland im vergangen Jahr beim Leistungsbilanzüberschuß mit 293 Milliarden Dollar auf Platz zwei verdrängt. Schon seit 2009 ist das Reich der Mitte Exportweltmeister. Selbst Autos laufen dort zahlreicher vom Band – aber wenigstens beim Bier haben wir noch die Nase vorn? Nein, denn von den zwei Milliarden Hektolitern, die jährlich weltweit gebraut werden, stammt ein Viertel aus China. Die 1.352 deutschen Braustätten kamen 2014 nur auf einen Bierausstoß von 95,3 Millionen Hektoliter.

Siegeszug von Altbayern bis ins Reich der Mitte

Dabei hat China seinen Brauerfolg eigentlich den Deutschen zu verdanken. Als 1898 das Gebiet um die Hafenstadt Tsingtau Pachtgebiet des Deutschen Reiches wurde, kam auch die deutsche Braukunst mit: 1904 begann die Germania-Brauerei unter Heinrich Seifart mit ihrer Bierproduktion – selbstverständlich von Anfang an nach dem bayerischen Reinheitsgebot von 1516. Seit 1906 galt diese Verordnung sogar im ganzen Reich – und im selben Jahr gewann das „Tsingtao Beer“ die Gold-Medaille bei der Münchner Bier-Expo. Tsingtau fiel zwar schon im November 1914 an Japan, und aus Germania wurde Dai-Nippon und später ein chinesischer Staatskonzern – doch die Bierproduktion blieb: Heute ist die Tsingtao Brewery der größte Bierexporteur Chinas. 

Doch ist das alles echtes Bier, was da gebraut wird? Denn entsprechend dem chinesischen Geschmack wird auch Reis für das Brauen verwendet – und widerspricht dem deutschen Reinheitsgebot:  „Ganz besonders wollen wir, daß forthin allenthalben in unseren Städten, Märkten und auf dem Lande zu keinem Bier mehr Stücke als allein Gersten, Hopfen und Wasser verwendet und gebraucht werden sollen“, verordnete der bayerische Herzog Wilhelm IV. schon zum Georgstag zu Ingolstadt am 23. April 1516. Und die deutschen Bierbrauer feiern dieses Lebensmittelgesetz anläßlich des 500jährigen Jubiläums ganz groß: Los geht es am 23. April mit dem jährlichen Tag des Bieres. Am 29. April wird dann die Landesausstellung „Bier in Bayern“ im Kloster Aldersbach im Passauer Land eröffnet, und vom 22. bis 24. Juli findet in München das „Festival 500 Jahre Bayerisches Reinheitsgebot“ statt.

Dabei ist Reinheitsgebot ursprünglich keine Werbemaßnahme für die Brauwirtschaft, denn es sollte vor allem Lug und Trug eindämmen. Künftig solle eine Maß (1,069 Liter) Bier „für nicht mehr als einen Pfennig Münchener Währung und von Georgi bis Michaeli die Maß für nicht mehr als zwei Pfennig derselben Währung“ ausgeschenkt werden. Die Gerste-Hopfen-Wasser-Forderung sollte dem Panschen Einhalt gebieten.

Hinzu kommt, daß Altbayern bis ins ein 15. Jahrhundert kein Bier-, sondern ein Weinland war. So wurden damals um München, an den oberbayerischen Seen und im niederbayerischen Landshut Trauben angebaut. Dies belegen zahlreiche historische Unterlagen wie die Bayernkarte des Mathematikers und Geographen Apian, der in Ingolstadt an der damals ersten bayerischen Universität wirkte.

Auch der von Goethe gelobte und aus dem Hallertauer Hopfengebiet stammende Historiker Johann Turmair, bekannt als Aventinus, und ein großer historischer Wandteppich in der Münchner Residenz geben davon ein anschauliches Zeugnis ab. Ausführlich hat darüber der Historiker Otto Breibeck in seinem 1978 erschienenen Buch „Das fünfte Element der Bayern“ berichtet.

Zu dieser Zeit war das bayerische Bier schlecht, weshalb der herzogliche Hof sein Bier aus Einbeck im heutigen Niedersachsen bezog. Erst als 1437 wegen Dauerfrost überall die Weinstöcke erfroren, begann der Aufstieg der heimischen Bierbrauer. Mit der Vernichtung des Weinanbaus wurde die erdrückende Konkurrenz aus dem Weg geräumt.

Doch trotz einer Münchner Verordnung aus dem Jahre 1420 gab es immer noch zahlreiche Braustätten mit sehr minderwertigen Qualitäten. Erst das 1516 von Wilhelm IV. erlassene Reinheitsgebot führte allmählich zur Qualitätsanhebung bayerischer Biere bis zu ihrem heutigen Weltruf. Noch im 17. Jahrhundert hatte man es in Norddeutschland verstanden, auch ohne Reinheitsgebot das bessere obergärige Bier zu brauen. Jedoch erst 1906, 35 Jahre nach der Reichseinigung, wurde dann das bayerische Reinheitsgebot auch im ganzen Kaiserreich in abgewandelter Form gesetzliche Vorschrift im Brauwesen.

Das Biersteuergesetz von 1923 konkretisierte die Zutatenliste: Für untergäriges Bier wie Export, Märzen oder Pilsner waren nur Gerstenmalz, Hopfen, Hefe und Wasser zugelassen. Für obergäriges Bier wie Altbier, Berliner Weiße, Kölsch oder Weißbier waren auch andere Malz- oder Zuckersorten erlaubt.

Kein Reinheitsgebot in der DDR und der EU

Während in der Bundesrepublik durch das Biersteuergesetz von 1952 die alten Regelungen wieder in Kraft gesetzt wurden, konnte in der DDR-Mangelwirtschaft diese Strenge nicht durchgehalten werden. Hopfen und Braugerste wurden für Devisen an den „Klassenfeind“ verkauft. Die Biernorm TGL 7764 erlaubte daher den Einsatz von Ersatzstoffen wie Gerstenrohfrucht, vietnamesischem Reisgrieß, Farbstoffen, Säuren oder Pepsin. Nur Exportschlager wie „Radeberger“ wurden nicht gepanscht.

Inzwischen gilt neben dem Biersteuergesetz die EU-konforme und 2008 novellierte Bierverordnung. Diese erlaubt Herstellern von importiertem Bier, vom deutschen Reinheitsgebot abzuweichen. Selbst deutsche Brauereien sind nicht mehr daran gebunden, wenn sie untergäriges Bier für den Export herstellen. Über 5.000 verschiedene Biere werden derzeit in Deutschland hergestellt. Die Vielfalt ist nicht den Braukonzernen, sondern Mittelständlern (JF 1/16 ) sowie besonders den Hausbrauereien zu verdanken. Fast die Hälfte der deutschen Braustätten befindet sich in Bayern – dem Land, das den Exportschlager vor einem halben Jahrtausend „erfunden“ hat.

Tag des deutschen Bieres:  reinheitsgebot.de

Landesausstellung „Bier in Bayern“:  www.landesausstellung-bier.de

Festival 500 Jahre Bayerisches Reinheitsgebot: 500jahre-reinheitsgebot.com