© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/16 / 01. April 2016

Bollwerk in der Brandung
Firmenkultur: Stiftungsverbundene Unternehmen profitieren von der langfristigen Ausrichtung ihres „Hauptinvestors“ / Hohe Beschäftigungsdauer der Mitarbeiter
Jörg Fischer

Ernst Abbe, August Borsig, Robert Bosch, Werner von Siemens oder Carl Zeiss – die genialen deutschen Erfinder und Firmengründer des 19. Jahrhunderts sind auch heute noch ein Begriff. Sie waren streng, aber gerecht. Sie förderten die Bildung und sorgten sich um das Wohl ihrer Arbeiter.

Die Sozialgesetzgebung Otto von Bismarcks setzte im Prinzip reichsweit das um, was ein Alfred Krupp in seinem Unternehmen bereits praktizierte. Seit dem Ende der Deutschland AG und dem Einzug von Shareholder Value bei den Dax-Konzernen wird nur noch global gedacht. Für gute Presse sorgt das Engagement bei moderner Kunst oder Ökologie – für Land und Leute oder bei Not sind eben die Steuerzahler gefordert.

Krisensicherheit und Schutz vor feindlicher Übernahme

Doch dieses Klischee stimmt nur teilweise: 72 Prozent der 43 Millionen Beschäftigten in Deutschland sind weiter sozialversicherungspflichtig angestellt – und etwa 650 Unternehmen sind ganz oder teilweise im Besitz einer Stiftung.  Dazu zählen neben Mittelständlern auch Riesen wie Bertelsmann, Bosch, der Medizinkonzern Fresenius, der Autozulieferer Mahle, Thyssen-Krupp, die Optikspezialisten Schott und Zeiss oder der Getriebehersteller ZF. Der Ökonom Marc Eulerich hat nun in einer umfangreichen Studie nachgewiesen, daß aus der speziellen Unternehmensstruktur in der Regel soziale und volkswirtschaftliche Vorteile hervorgehen.

Der Professor an der Mercator School of Management der Universität Duisburg-Essen verglich 27 stiftungsverbundene und 352 nicht-stiftungsverbundene Firmen, die von 2006 bis 2011 an der Frankfurter Wertpapierbörse notiert waren. Stiftungsverbundene Unternehmen profitierten vor allem von einer langfristigen Ausrichtung des „Investors“ Stiftung. Zur Erfüllung der Stiftungszwecke seien sie auf eine dauerhaft konstante Rendite angewiesen, nicht auf eine kurzfristige Gewinnmaximierung.

Der langfristige Erhalt des verbundenen Unternehmens sei in vielen Satzungen ausdrücklich festgeschrieben, etwa durch Formulierungen wie „Wahrung des unternehmerischen Lebenswerkes“ oder „Sicherung der Beschäftigtensituation“. Wenn eine Stiftung eine Mehrheitsbeteiligung oder eine Sperrminorität halte, stelle das ein Bollwerk gegen feindliche Übernahmen oder den ungewollten Einstieg von Finanzinvestoren dar, schreibt Eulerich. Auch das „Hire and fire“ gibt es bei Stiftungsfirmen kaum. Die Beschäftigungsdauer der Mitarbeiter liege meist zwischen zehn und 25 Jahren. Selbst während der Weltfinanzkrise hätten 93 Prozent der Firmen ihre Beschäftigtenzahl konstant gehalten.

Auch rein betriebswirtschaftlich gibt es Vorteile: Im Durchschnitt haben Stiftungsunternehmen eine stabilere Kapitalausstattung. Sie finanzieren sich seltener über die Finanzmärkte als andere Unternehmen. Ihr Fremdkapital stammt allerdings häufiger von Banken.

Marc Eulerich: Stiftungsverbundene Unternehmen in Deutschland, Erich Schmidt Verlag, Berlin 2015, 499 Seiten, broschiert, 89,95 Euro