© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/16 / 01. April 2016

Nicht ohne meine Kappe
Im Grunde ein deutsches Produkt: Der Auswanderer Erhardt Koch revolutionierte in den USA den Markt für Kopfbedeckungen
Ronald Berthold

Woran erkennen wir einen typischen US-Amerikaner? Richtig, an der Jeans von Levi Strauss und der Baseballkappe. Was aber kaum jemand weiß: Nicht nur die Kulthose ist ziemlich deutsch, sondern auch die berühmte Mütze. Beides erfanden nämlich deutsche Einwanderer. Während die Geschichte des oberfränkischen Immigranten und dessen Siegeszug mit der Arbeitshose vielfach erzählt ist, kennt kaum jemand den Erfinder der Basecap.

Der Mann heißt Ehrhardt Koch und wanderte Ende des 19. Jahrhunderts als Kind mit seinen Eltern nach Buffalo, New York aus. Wie wenig das Andenken an den Landsmann hierzulande hochgehalten wird, zeigt, daß nicht einmal ein deutschsprachiger Wikipedia-Artikel über den Selfmade-Millionär existiert. 18 Jahre schuftete Koch in der Mützenfabrik der Miller-Brüder, bis er etwas Eigenes schaffen wollte. Da war er 34 Jahre alt, lieh sich Geld von seiner Tante und gründete die „New Era Company“. Kernprodukt: die klassische Baseballkappe, die bis heute in der Major Baseball League (MBL) getragen werden muß, weil Kochs Firma seit den 1950er Jahren einen Exklusiv-Vertrag mit der Liga sowie den unteren Spielklassen besitzt.

Weltweit aktiv, doch immer noch im Familienbesitz

Aber nicht nur die Sportler tragen die Basecaps, sondern viele amerikanische Männer. Besonders beliebt ist sie unter Jugendlichen, vor allem in der Skater- und Rapper-Szene. Nicht selten setzen sie die Dinger verkehrt herum auf, was als cool gilt. New Era stellt verschiedene Modelle her, doch das populärste ist die 59Fifty, die jeder Baseballer in der obersten Liga während der Spiele auf den Kopf setzt. Es ist der Typ von Kopfbedeckung, bei der der Schirm im rechten Winkel zur Frontseite der Mütze steht und auch keine Biegung zeigt. Etwas bösartig gesprochen, sieht die Kappe aus wie ein Topf mit anmontiertem Brett.

Auch in Deutschland tragen mehr und mehr junge Leute Kochs Kopfbedeckung. Seit 2008 verkauft ein New-Era-Laden die Mützen in Berlin, fünf Jahre später eröffnete eine Filiale in Frankfurt am Main. Aber auch über andere Handelsketten werden die Kappen an den Mann gebracht. Fast alle Kunden sind tatsächlich Männer. Unter Frauen hat sich die „Koch-Mütze“ nie wirklich durchsetzen können.

Ehrhardt Koch starb bereits 1954 im Alter von 68 Jahren. Da hatte der Siegeszug seiner Mütze längst begonnen. Sein Sohn Harold hatte die Firma schon vor dem Ableben seines Vaters übernommen und den Vertrag mit der MBL ausgehandelt. Auch heute noch, da das Unternehmen weltweit agiert, ist es in vierter Generation im Besitz der Familie – anders als zum Beispiel Adidas, das die Familie Dassler an die Börse gebracht hat. Seit April 2012 rüstet New Era die National Football League mit Kopfbedeckungen aus. Und das in den USA populäre Lacrosse, ein Spiel mit einer Art Tennisschläger auf Tore, findet im Profibereich ebenfalls nicht mehr ohne deren Kappen statt. Inzwischen hat die Firma auch die Europaliga im Basketball unter Vertrag.

Wer „in“ sein möchte, trägt die von Ehrhardt Koch erfundene Mütze. Und wie in jedem anderen Segment kann sich ein Hersteller kaum dagegen wehren, wer die Produkte aufsetzt. Dies taten auch die Mitglieder krimineller Banden von New York. Allerdings unterlief New Era dabei auch ein kleines Mißgeschick. Es dekorierte vor neun Jahren zwei Modelle des Baseball-Teams New York Yankees mit roten beziehungsweise blauen Halstüchern an der Spitze, ein weiteres mit einer goldenen Krone.

Diese Symbole ähnelten den Erkennungszeichen dreier Banden, die nun dankbar die Hüte kauften oder klauten und damit die Straßen von New York unsicher machten. Die städtische Polizei-Abteilung, die sich mit der Straßenkriminalität beschäftigt, protestierte gegen diese Hüte, denn New Era mache es den Bandenmitgliedern damit sehr einfach, in Form der Kappen ihre Flaggen zu tragen. Und auch in den Medien erhob sich ein Sturm der Entrüstung. Einen Tag später nahm das Unternehmen die Mützen vom Markt, allerdings nicht ohne zu betonen, daß es die Basecaps nicht für die Kriminellen, sondern für ein breites Publikum produziert hätte. Und dieses sitzt längst auch in Kochs alter Heimat Deutschland.


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