© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/16 / 08. April 2016

Sexuelle Vielfalt im Unterricht
Bildung: Bayern überarbeitet seine Richtlinien für die Schule
Martin Voigt

Die Präsidentin des Bayerischen Lehrerverbandes (BLLV), Simone Fleischmann, hat die neuen „Richtlinien für die Familien- und Sexualerziehung“ in Bayern gelobt. Der im Oktober 2015 vom Kultusministerium des Freistaats Bayern beschlossene Entwurf biete die „absolute Chance“, den Gender- und Rollenbegriff eingehender zu behandeln, sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. „Viele Fragen der Schülerinnen und Schüler bleiben zu Hause oftmals unbeantwortet. Ganz besonders Homosexualität ist ein großes Thema, bei dem auch die Schulen Verantwortung übernehmen müssen“, meinte Fleischmann. Allerdings hätten die Richtlinien ihrer Meinung nach auch homosexuelle Paare als Eltern thematisieren müssen: „Schwule oder lesbische Elternpaare gibt es immer öfter. Konkret angesprochen wird das Thema aber auch in den neuen Richtlinien nicht.“ Insgesamt sei der Entwurf „ein Schritt in Richtung einer modernen Familien- und Sexualerziehung, die dem Wandel in unserer Gesellschaft entspricht“.

Erste Änderung nach fünfzehn Jahren

Die nach fünfzehn Jahren veränderten „Richtlinien für die Familien- und Sexualerziehung“ sehen vor, die sexuelle Vielfalt im Unterricht zu thematisieren. Kinder sollen dabei unterstützt werden, „ihre geschlechtliche Identität sowie sexuelle Orientierung zu finden und anzunehmen“. In Deutsch, Kunst, Musik, Religionslehre und Ethik sollen die Schüler lernen, verschiedenste sexuelle Orientierungen wie Hetero-, Homo-, Bi-, Trans- und Intersexualität zu akzeptieren. Im Hinblick auf stereotype Geschlechterrollen und Fremdzuschreibungen sollen sie außerdem ihre eigene sexuelle Identität „im Spannungsfeld gesellschaftlicher Normen, sozialer Umwelt und persönlicher Freiheit“ hinterfragen.

Auch Pro Familia unterstützt den neuen Fokus auf unterschiedliche Rollen- und Identitätsbilder. Die Themen seien ohnehin seit Jahrzehnten Konsens im größten deutschen Beratungsnetzwerk für sexuelle Aufklärung, sagte eine Beraterin. „Für die Lehrer ist Sexualität in der Regel ein schwieriges Thema. Sie sind froh, wenn externe Berater in die Schule kommen, um mit den Schülern über Sexualität zu sprechen.“ Online-Broschüren von Pro Familia, die sich an Teenager richten, betonen, wie normal es sei, „längere Zeit mit beiden Geschlechtern“ zu experimentieren.

Der Lehrerverband kritisierte, daß in den Grundschulen keine außerschulischen Experten hinzugezogen werden dürfen. Die vor nun bald sechs Jahren erlassene Anweisung für Grundschulen, sich keine externen Berater, wie Pro Familia oder Donum Vitae, in die Schule zu holen, sollte dringend überdacht werden.