© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/16 / 08. April 2016

Angriff statt Verteidigung
Kriegsführung: Mit Cyberattacken wollen die USA den IS schlagen
Liselotte Millauer

Die Vereinigten Staaten haben sich eine neue Waffe zur Kriegsführung zugelegt: Cyberattacken. Der Erfolg einer kürzlichen Cyberoffensive, bei der Hacker des Pentagon das Computer- und Mobilfunknetzwerk der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) lahmlegten, führte, wie Verteidigungsminister Ashton Carter es bei einer Pressekonferenz im Pentagon im März ausdrückte, zu einem „Wechsel der Strategie“ im Kampf gegen den internationalen Terrorismus.

 Durchgeführt vom Hauptquartier des US Cyber Command in Fort Meade (Maryland), wurde der digitale Angriff in Syrien zum historischen Eintritt des  Commands in kriegerische Akivitäten der USA in einem anderen Land. 

Das Hackerteam in Fort Meade identifizierte und blockierte die Kommunikation der IS-Kämpfer mit ihren Kommandeuren während einer Vier-Tage-Schlacht von US-unterstützten Rebellen um die strategische Stadt as-Schaddadi und die sie umgebenden Ölfelder. Begleitet von 85 Luftangriffen der Koalition konnten die Rebellen diese von den total verwirrten Terroristen zurückerobern. 

Silicon Valley soll seine Kompetenz einbringen

Als Reaktion auf das Charlie-Hebdo-Attentat in Paris am 7. Januar sowie in Folge des Terroranschlags in San Bernardino bei Los Angeles am 2. Dezember 2015, bei dem 14 Menschen auf einer fröhlichen Weihnachtsfeier von einem durch den Islamischen Staat radikalisierten muslimischen Ehepaar getötet wurden, brachte die Obama-Regierung ihre neue Strategie im Dezember 2015 auf den Weg. Der Präsident forderte für das 2009 gegründete Cyber Command eine Budgeterhöhung auf 6,8 Milliarden US-Dollar in diesem Jahr. 

Im Februar begann das Pentagon damit, Hacker anzuwerben und in Fort Meade für alle Arten von Cyberaktivitäten auszubilden. Verteidigungsminister Carter hatte bereits enge Kontakte zur High-Tech-Welt seit Beginn seiner einjährigen Amtszeit gesucht. Als Physiker lehrte er an der Elite-Universität Stanford, an der auch Unternehmen wie Yahoo und Google starteten.

Im März unternahm er, zusammen mit General Joseph F. Dunford jr., dem Leiter des US-Oberkommandos „Joint Chiefs of Staff“, den bereits dritten Besuch im kalifornischen Silicon Valley, dem High-Tech-Eldorado der Vereinigten Staaten. Es war der jüngste Versuch der Obama-Administation, Telekommunikation, Soziale Medien und andere technologische Gesellschaften für  eine Zusammenarbeit mit der Regierung im Kampf gegen den Terrorismus zu gewinnen. Zudem besuchte Carter die Zentralen von Microsoft, Facebook   und Twitter. 

„Twitter ist Herz und Seele für den  Cyber-Dschihad“, unterstrich Steven Stalinsky, Direktor vom Middle East Research Institute in Washington, das Aktivitäten von Moslem-Extremisten verfolgt. Twitter hat bereits 125.000 Accounts von terrorverdächtigen Personen gesperrt. Facebook tut es ähnlich. Aus Rache stieß der IS in einem Video Todesdrohungen gegen Facebooks Präsidenten Mark Zuckerberg und Twitter-Gründer Jack Dorsey aus.

Knacken eines iPhones sorgte für Zwist

Doch herrscht seit den Enthüllungen von Edward Snowdon in weiten Kreisen von Silicon Valley auch ein Mißtrauen gegenüber der Regierung und ihren Überwachungsmethoden. So fand soeben der Gerichtsstreit zwischen Apple und dem FBI über den Zugang zum Geheimcode vom iPhone 5 c des San Bernardino-Terroristen Syed Rizwan Farook ein überraschendes Ende. 

Nachdem Apple sich konstant weigerte das Phone zu öffnen, fand das FBI ein „externes Hacker-Team“, dem dies gelang. Jetzt klagt Apple auf Bekanntgabe von Team und Methode, und das FBI lehnt ab. 

Doch während dieser Fall wieder einmal die schwierige Diskrepanz zwischen ungehindertem Kampf gegen den Terrorismus und persönlichen Freiheiten der Bürger zeigt, so gehört das noch in den Bereich der bisherigen Cyber-Verteidigung. 

Die Strategie für das neue Cyberkriegsprogramm liegt in den Händen von Admiral Michael S. Rogers, Chef des US Cyber Command wie auch der National Security Agency (NSA). Er wurde von Verteidigungsminiser Carter beauftragt, den Wechsel von bisher reiner Cyberverteidigung hin zu militärischen Offensiven zu entwickeln.

 Ziel der Hackerteams sei nun, dem IS sämtliche Möglichkeiten zu nehmen, zu kommandieren, zu kontrollieren und zu kommunizieren.

Details der neuen US-Strategie, wann, wie und wo sie angewendet werden soll, sind aus Sicherheitsgründen geheim. „Der Gegner soll nicht wissen, wann, wo und wie wir Cyberangriffe starten, damit er sich nicht darauf einstellen kann“, erklärte General Joseph F. Dunford jr. kürzlich. Der Kalifatstaat solle stets im Ungewissen bleiben, ob es sich um eine Attacke handele oder um eigene technische Probleme. 

Interessanterweise ist es das erste Mal, daß ein Land offiziell „Cyber Warfare“ als Mittel seiner Politik und seiner militärischen Einsätze öffentlich macht. Rußland, China, Nordkorea, der Iran haben in den vergangenen Jahren sowohl die Computernetzwerke der US-Regierung als auch die von Wirtschaftsunternehmen und Banken gehackt, um an Informationen zu gelangen oder Schaden anzurichten. 

Keines dieser Länder hat dies je zugegeben. Dennoch wurden gerade sieben Iraner in New York in Abwesenheit angeklagt. Ihnen wird vorgeworfen, mittels Cyberattacken amerikanischen Unternehmen und Banken Millionenverluste zugefügt zu haben. Einer dieser Hacker, so Justizministerin Loretta Lynch, habe gar die Computer eines Staudamms nahe New York gehackt. Zwei seien zudem in Nasa-Systeme eingedrungen. Die Hacker arbeiteten für zwei Computer-Gesellschaften im Iran, die für die Islamischen Revolutionsgarden tätig seien, so Lynch. 

„Das globale Sicherheitssystem ist dabei, sich total zu verändern”, bemerkt Alan Paller, Direktor am SANS-Institut für Cyber-Training in Bethesda, Maryland: „Jede militärische Aktion der Zukunft wird eine entscheidende Cyber-Komponente haben.“