© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/16 / 08. April 2016

„Ein Staatsmann muß so etwas aushalten“
Extra3: Wie aus einem Musikclip, der sich kritisch mit dem türkischen Präsidenten auseinandersetzt, eine Staatsaffäre wurde
Christian Schreiber

Mit seiner dünnhäutigen Kritik hat sich der türkische Staatspräsident Recep T. Erdogan keinen Gefallen getan. Vor zwei Wochen hatte das Satiremagazin Extra3 ein Lied veröffentlicht, in dem Erdogans Umgang mit Menschenrechten und Journalisten auf die Schippe genommen wurde. Die Türkei machte die Angelegenheit prompt zur Staatsaffäre, bestellte den deutschen Botschafter ein und verlangte die Löschung. 

Die NDR-Redaktion ließ das nicht auf sich sitzen und teilte weiter aus. Das Video wurde am vergangenen Mittwoch noch einmal ausgestrahlt und ist ein Renner im Netz. „Vielleicht hat Erdogan den Beitrag nicht verstanden?“ meinte Moderator Christian Ehring. „Deswegen gibt es ihn jetzt noch mal mit türkischen Untertiteln!“ 

Allerdings nahm Ehring auch die Bundeskanzlerin aufs Korn. „Wenn er Kritik hören will, muß er Extra3 sehen. Will er keine Kritik, sollte er besser die Bundeskanzlerin treffen.“

Die Bundesregierung reagierte zurückhaltend: „Uns geht es um die Einhaltung europäischer Werte.“ Dieselbe Auffassung hätten der deutsche Botschafter in der Türkei, Martin Erdmann, und Staatssekretär Markus Ederer aus dem Auswärtigen Amt „an verschiedenen Stellen in der Türkei, auch in offiziellen Gesprächen“ vertreten, erklärte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. „Erdogans Reaktion ist überzogen“, sagte auch der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu. 

Politiker wiesen mit Blick auf Charlie Hebdo darauf hin, daß Satire alles dürfe. „Ein Staatsmann muß so etwas aushalten“, betonte eine Sprecherin der EU-Kommission. Als der ZDF-Moderator Jan Böhmermann den Extra3-Clip mit einem Anti-Erdogan-Gedicht unterhalb der Gürtellinie vor einer Woche noch zu übertreffen versuchte, war diese Linie dann aber aus Berliner Sicht nicht mehr zu halten. Merkel entschuldigte sich bei den Türken für das Gedicht, in dem Erdogan unter anderm Unzucht mit Tieren vorgewofen wurde.