© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/16 / 15. April 2016

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Lauter Rückzüge
Marcus Schmidt

Der nächste Bundestag wird aller voraussicht nach Ende September 2017 gewählt. Doch schon jetzt fallen die ersten Entscheidungen. Weniger darüber, wer dem Parlament nach dem Urnengang  erneut oder erstmals angehören wird als vielmehr wer nicht.

In der vergangenen Woche verkündeten gleich zwei frühere Bundesministerinnen, beides Politikerinnen der Union, ihren Entschluß, nicht erneut für den Bundestag zu kandidieren. Die eine, Gerda Hasselfeldt (CSU), war von 1989 bis 1991 erst Bundesbauministerin und bis 1992 Gesundheitsministerin. Derzeit ist Hasselfeldt, die dem Bundestag seit 1987 angehört, Chefin der CSU-Landesgruppe. In dieser Funktion hat sich die 65jährige in ihrer Partei nicht  nur Freunde gemacht. In der Asylkrise konnte sie sich mit ihrer eher verhaltenen Kritik an der Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel kaum Gehör verschaffen.

Während Hasselfeldts Rückzug sich am Ende mit Blick auf ihre Alter erklären läßt, sieht es bei Kristina Schröder anders aus. Die 38 Jahre alte hessische CDU-Politikerin sitzt seit dem Abschluß ihres Soziologiestudiums 2002 im Bundestag. „Ich habe für mich die Tätigkeit als Abgeordnete immer als ein Mandat auf Zeit betrachtet und wollte nie mein Leben lang Abgeordnete bleiben“, begründete sie nun ihren Rückzug. Sie wolle sich beruflich neu orientieren. Schröders zahlreiche politische Gegner werden ihren Abschied aus der Politik mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen. Vor allem mit der Idee einer sogenannten Extremismusklausel hatte sich Schröder auf der politischen Linken viele Feinde gemacht. Ihre Nachfolgerin als Familienministerin, Manuela Schwesig (SPD), hatte nichts Eiligeres zu tun, als die Klausel, mit der verhindert werden sollte, daß Linksextremisten durch Projekte im „Kampf gegen Rechts“ finanziell gefördert werden, wieder zu kippen. Auch das von Schröder aufgelegte Programm zur Bekämpfung des Linksextremismus wurde nicht fortgeführt, sondern in das Förderprogramm „Demokratie leben!“ eingegliedert. Dessen Untertitel lautet: „Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“. Schwesig warf Schröder bei dieser Gelegenheit indirekt vor, sie habe das Problem des Linksextremismus  „aufgebauscht“.

Aufhorchen läßt der Rückzug von Thomas Dörflinger. Der 50 Jahre alte CDU-Abgeordnete aus Baden-Württemberg, der dem Parlament seit 1998 angehört, gab wie Schröder an, er wolle sich beruflich verändern. Doch gleichzeitig machte Dörflinger, der zu den Mitbegründern des konservativen Berliner Kreises seiner Partei gehörte, deutlich, daß bei ihm auch inhaltliche Gründe eine Rolle gespielt haben. Auf seiner Internetseite schrieb Dörflinger: „Vieles ist mir zu beliebig geworden, unsere Grundsätze sind mir zuwenig sichtbar. Die Unterscheidbarkeit zu unseren politischen Marktbegleitern erscheint mir an vielen Stellen nicht mehr vorhanden.“ Diese Diagnose habe seine Entscheidung nicht ausgelöst, aber sehr wohl begleitet. „Es ist ein Gebot der Ehrlichkeit, dies auch auszusprechen“, sagte Dörflinger.