© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/16 / 15. April 2016

Traum einer demokratischen Revolution
Niederlande: Das erfolgreiche Ukraine-Referendum zeigt vor allem die weitverbreitete Skepsis gegenüber der EU
Mina Buts

Was die Niederländer mit ihrer Volksabstimmung über den Assozierungsvertrag der EU mit der Ukraine angerichtet haben, ist erstaunlich. Bis zum Wahltag, übrigens mitten in die Woche gelegt, war im Ausland kaum etwas über dieses Referendum zu hören. Um so lauter erfolgt nun, nach Ablehnung des Vertrags, der Aufschrei im Ausland. 

Angela Merkel und François Hollande erklärten demonstrativ, das Bürgervotum einen so kleinen Landes könne nichts an dem Abkommen ändern. Immerhin ist das Abkommen in 26 von 27 EU-Ländern bereits ratifiziert worden. Und der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte ließ den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko schnell wissen, daß er trotz allem an der Visafreiheit festhalten werde.

Politiker versuchen, das Votum kleinzureden

Bis kurz nach Schließung der Wahllokale bestand noch die Hoffnung der Politik, die Wahlbeteiligung könne zu niedrig und die Bürgerbefragung damit nichtig sein. Doch trotz aller Widrigkeiten und Einschüchterungsversuche gaben 32,1 Prozent der Wahlbereichtigten ihre Stimme ab – für die Gültigkeit des Referendums hätten schon 30 Prozent ausgereicht. 61 Prozent der Befragten stimmten gegen den Assozierungsvertrag, nur 38 Prozent dafür. 

Ein so deutliches Ergebnis war in den kühnsten Prognosen nicht erwartet worden. Zwar beeilten sich niederländische Politiker, das Ergebnis vor allem wegen der geringen Wahlbeteiligung kleinzureden, verschwiegen dabei aber, mit welchen Mitteln versucht worden war, diese zu drücken. Insgesamt gab es 15 Prozent weniger Wahllokale als bei anderen Wahlen – in vielen kleinen Orten öffnete kein einziges. 

Die Öffnungszeiten, eigentlich auf 7.30 Uhr bis 21.00 Uhr festgelegt, wurden willkürlich gehandhabt, manche legten Mittagspausen ein, einige öffneten nachmittags gar nicht mehr. Etliche Wahllokale wurden in andere Gebäude verlegt. Sowohl Gewerkschaften als auch Arbeitgeberverbände hatten dazu aufgerufen, die Wahlen zu boykottieren.

Bereits 2005 hatten die Niederländer in einer Volksabstimmung den europäischen Verfassungsvertrag abgelehnt, der dann allerdings leicht modifiziert und mit neuem Namen doch angenommen  wurde. Um so aufmerksamer werden die Niederländer darüber wachen, daß das jetzige Votum ernst genommen wird. Initiiert hatten die Bürgerbefragung zwei außerparlamentarische Initiativen: die politisch-inkorrekte Webseite „Geenstijl“, die auch für das Fernsehprogramm von „Powned“ verantwortlich zeichnet, unter der Ägide ihres Reporters Jan Roos und das „Bürgerforum für Demokratie“ von Thierry Baudet. 

300.000 Unterschriften mußten zusammengetragen werden, weit mehr als 420.000 konnten die Initiatoren vorweisen. Monatelang warb „Geenstijl“ um Wahlhelfer, um möglichst viele Wahllokale öffnen und die Stimmauszählung überwachen zu können. Die von der Regierung für die Wahl zur Verfügung gestellten Gelder – 700.000 Euro jeweils für die Befürworter und für die Gegner, 600.000 Euro für neutrale Initiativen – riefen weder das Bürgerforum noch „Geenstijl“ ab. 

Das Votum, so erklärten die Initiatoren schon im Vorfeld, solle nicht nur die Kritik an einer weitergehenden Zusammenarbeit mit der Ukraine ausdrücken. Eine wirtschaftliche und militärische Unterstützung der Ukraine werde genauso wie die Abschaffung der Visapflicht abgelehnt. Mit der Ukraine würde sich die EU einen „unehrlichen“ Konkurrenten ins Boot holen, der Gentechnik und TTIP gutheiße und eine Konfrontation zu Rußland aufbaut.

 Das Bürgervotum zeigt vor allem die Euroskepsis der Niederländer. Eurokrise, Flüchtlingskrise und der Terrorismus sind Ausdruck einer verfehlten EU-Politik, für die die Niederländer einer der Zahlmeister sind. Afshin Ellian, Professor an der Universtität Leiden, erklärt, Brüssel habe das „Nein“ der Niederländer vor allem sich selbst zuzuschreiben. Die Eurokraten, die das Ergebnis „bedauerten“, drückten damit vor allem aus, wie unwichtig ihnen die Meinung der niederländischen Bevölkerung sei.

Wilders sieht Anfang vom Ende der EU gekommen

Die große Furcht der niederländischen und europäischen Politiker liegt aber in der Signalwirkung, die von einem solchen Referendum ausgeht. Mit dem Erstarken rechts-alternativer Parteien mußten sie sich mittlerweile anfreunden. Neu ist aber die außerparlamentarische Bewegung, die fernab von politischen Parteien agiert. Thierry Baudet geht sogar so weit, von einer „demokratischen Revolution“ zu sprechen. 

Auch wenn das Ergebnis des Referendums keine bindende Wirkung hat, so müssen die Regierungsparteien es doch im Parlament besprechen. Sollte die niederländische Regierung das Assoziierungsabkommen gegen das Bürgervotum doch ratifizieren, käme das politischem Selbstmord gleich – schon jetzt hat die islamkrische PVV von Geert Wilders in Umfragen so viele Sitze wie die beiden Regierungsparteien zusammen. 

Falls das Bürgervotum hingegen akzeptiert wird, könnten die Niederlande ausgerechnet in der Zeit, wo sie selbst den Vorsitz in der EU innehaben, eine neue Ära in Europa einleiten. Wilders frohlockt schon via Twitter: „Das ist der Anfang vom Ende der EU.“