© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/16 / 15. April 2016

Gegenwind für Brüsseler Zwangsquoten
EU: Die Vorschläge der Kommission zur Reform des Europäischen Asylsystems stoßen in vielen Ländern auf Ablehnung
Michael Link

Offen legte der Vizepräsident der EU-Kommission den Finger auf die Wunde: „Unser gegenwärtiges Konzept zur Asylpolitik ist nicht zukunftsfähig“, räumte Frans Timmermans nach der Sitzung der Kommission in der Vorwoche ein. Die Dublin-Regeln hätten in der Flüchtlingskrise nicht funktioniert. Zudem kritisierte die Kommission das „Asylshopping“, das wenige Länder, die sich die Migranten aufgrund der besten Sozialbedingungen gezielt aussuchten, besonders stark belaste.

Als Konsequenz aus diesem Desaster drängt die EU-Kommission auf eine Vereinheitlichung des Asylsystems. Ziel der Reform der Dublin-Regeln, wonach das Land der Erstaufnahme für Asylverfahren zuständig ist, sei eine Harmonisierung des Asylsystems in der Europäischen Union und eine gerechtere Verteilung über die Staaten.

Aufgrund des seit Monaten tobenden Streits mit den Mitgliedstaaten verzichtete die EU-Kommission jedoch auf konkrete Vorschläge, die offizielle Verhandlungen mit den Ländern und dem EU-Parlament nach sich ziehen würden. Stattdessen legte sie zwei „Optionen“ vor: Zum einen könne das bisherige sogenannte Dublin-Verfahren durch einen „Fairneß-Mechanismus“ ergänzt werden. Die zweite Option ist ein dauerhafter Verteilungsschlüssel, basierend auf der relativen Größe, dem Wohlstand und den Aufnahmekapazitäten der Mitgliedstaaten. 

Das Erstaufnahmeland bliebe in beiden Fällen für die Identifizierung und Registrierung von Flüchtlingen per Fingerabdruck sowie für Abschiebungen zuständig. Stärken will die EU-Kommission zudem die Rolle des ihr unterstellten Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) auf Malta. Künftig solle das bis dato nicht weisungsbefugte Büro in der Lage sein, darüber zu wachen, ob die Mitgliedsländer die Regeln bei der Überprüfung und Verteilung von Asylsuchenden einhielten, sowie mögliche Defizite abzustellen. Die Kommission mahnte zudem erneut einen stärkeren Datenaustausch zwischen den Staaten an.

Kaum veröffentlicht, stießen die Pläne in vielen EU-Mitgliedsländern auf Widerstand. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán kündigte umgehend an, die Pläne der EU-Kommission zur gerechteren Verteilung von Flüchtlingen auf ganz Europa entschieden zu bekämpfen. „Wenn wir diese Zwangsquoten akzeptieren, dann wird man in Brüssel und nicht in Ungarn darüber bestimmen, mit wem wir zusammenleben müssen und wie die ethnische Zusammensetzung des Landes in Zukunft aussehen wird“, betonte Orbán im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. In den kommenden Wochen wolle er möglichst viele europäische Länder besuchen, um Verbündete für seinen „Kampf gegen Brüssel“ zu gewinnen. 

Ungarn und die Slowakei hatten im vergangenen Dezember eine Klage gegen die Quotenregelung zur verpflichtenden Aufnahme von Flüchtlingen eingereicht. 

Auch Frankreich, Spanien, Tschechien, Polen, Rumänien und Großbritannien äußerten sich ablehnend. „London wird sich niemals an das gemeinsame Europäische Asylsystem anschließen“, erklärte Premier David Cameron. Auch der tschechische Ministerpräsident Bohuslav Sobotka ließ keine Fragen offen. „Die Migrationspolitik muß unter der Kontrolle der einzelnen Mitgliedstaaten bleiben.“

Die Kommissionsvorschläge sollen am 21. April von den EU-Innenministern diskutiert werden.