© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/16 / 15. April 2016

„Wir unterstützen den Integrationsprozeß ins tägliche Leben“
Haftpflichtversicherung: Die Ausfalldeckung wird angesichts der Asylkrise wichtiger denn je / Beherbergung von Flüchtlingen der Assekuranz melden
Peter Offermann

Sterbegeldversicherung, Unfallversicherung mit Beitragsrückgewähr, Krankenhaustagegeld- oder Brillenversicherung – es gibt eine Vielzahl von Policen, die überflüssig sind. Und dann gibt es Riester- und Rürup-Verträge oder Kapitallebensversicherungen, an denen nur die Versicherer, Vermittler und indirekt auch der Staat mitverdient.

Die private Haftpflichtversicherung (PHV) ist hingegen „ein absolutes Muß für jeden, denn Sie haften für Schäden, die Sie Dritten fahrlässig zufügen“, sagt selbst der assekuranzkritische Bund der Versicherten (BdV). „Die Versicherung übernimmt bis zur Höhe der vereinbarten Versicherungssumme die Kosten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden im privaten Bereich. Ein weiterer Vorteil ist, daß Sie sich nicht mit den Forderungen der Geschädigten auseinandersetzen oder Anwälte und Gerichte einschalten müssen“, erläutert der BdV.

Doch im Gegensatz zur Kfz-Haftpflicht besteht kein gesetzlicher Zwang zum Abschluß. Daher haben 15 Prozent aller Haushalte keine PHV, bei den Arbeitslosen und jenen mit einem Nettomonatseinkommen von unter 1.100 Euro sind es mehr als ein Drittel. Dabei ist eine Familien-PHV schon für unter zehn Euro monatlich zu haben. Doch was ist, wenn einer der Unversicherten einen Schaden verursacht? Theoretisch müßte er zahlen. Wenn er sich weigert, bleibt der Klageweg. Aber: Kann der Gerichtsvollzieher nichts pfänden, da keine Vermögenswerte vorhanden sind, bleibt der Geschädigte auf seinem Schaden und den Gerichtskosten sitzen. Wird Privatinsolvenz angemeldet, sind die Ansprüche praktisch auch dahin.

Daher enthalten neue PHVs Forderungs- oder auch Schadenersatzausfalldeckung. Diese kommt dann „für Schäden auf, die Ihnen von einem Dritten zugefügt wurden, aber von ihm nicht oder nur teilweise ersetzt werden“, so der BdV. In der Praxis sieht das so aus: Wird beispielsweise ein Schaden in Höhe von 10.000 Euro verursacht und der Verursacher kann diesen nach Überprüfung aller Vermögenswerte nicht begleichen oder bekommt er keinen Kredit bewilligt, so springt die eigene PHV ein. Voraussetzung ist ein Schuldtitel gegen den Verursacher oder dessen notarielles Schuldanerkenntnis sowie ein erfolgloser Versuch der Zwangsvollstreckung.

Asylbewerber-Policen finanziert vom Steuerzahler?

Wichtig ist auch das Kleingedruckte: Der Versicherer sollte schon ab einer Schadenhöhe von 1.000 Euro bezahlen und auch für Schäden aufkommen, die der Dritte vorsätzlich verursacht hat. Eine zusätzliche Problematik entsteht durch die Asylkrise. Flüchtlinge haben in aller Regel keine PHV – und offiziell auch kein Geld, um verursachte Schäden zu begleichen. Das brachte findige Versicherer auf die Idee, Gruppenversicherungsverträge für die in den Kommunen lebenden Flüchtlinge anzubieten. „Viele Bürger befürchten, die durch Flüchtlinge verursachten Schäden nicht ersetzt zu bekommen“, argumentiert beispielsweise die GVV-Kommunalversicherung. „Mit Abschluß unseres günstigen Haftpflichtschutzes begegnen Sie dieser Sorge. In der Vergangenheit erreichten die Kommunen bereits entsprechende Ersatzforderungen. Diese Ansprüche leiten Sie zukünftig einfach an GVV-Kommunal weiter. Wir sorgen für die abschließende Bearbeitung.“

Juristen warnen jedoch, daß ärmere Deutsche oder länger hier lebende Ausländer auf das Antidiskriminierungsgesetz pochen und verlangen könnten, daß ihre PHV-Beiträge ebenfalls vom Staat übernommen werden könnten. Auch für finanzschwache Kommunen mit besonders vielen Asylbewerbern dürfte die Bezahlung der monatlich zwischen drei und sechs Euro teuren Policen kein kleines Finanzproblem sein. Der Freistaat Bayern hat es daher abgelehnt, eine Landesrahmenversicherung abzuschließen.

Der größte Versicherer nutzt die Problematik zu Werbezwecken. Mit der Aktion „Allianz – Wir helfen“ unterstütze der Konzern Flüchtlinge mit Sachspenden und finanziellen Mitteln, verkündet Allianz-Vorstand Alexander Vollert. Zudem sorge man dafür, daß Flüchtlinge versichert seien: „Wir unterstützen damit ihren Integrationsprozeß ins tägliche Leben unseres Landes.“

Und wer „Refugees welcome“ wörtlich nimmt, kann sich ebenfalls auf die Allianz verlassen: Nehme eine Familie einen Flüchtling bei sich im Haushalt auf, könne er vorübergehend beitragsfrei in die PHV aufgenommen werden. „Dazu muß er lediglich der Allianz gemeldet werden. Er gilt dann versicherungstechnisch als weiteres Familienmitglied.“ Auch in der neuen Wohngebäudeversicherung sei die Vermietung an Flüchtlinge „beitragsfrei miteingeschlossen“.

Merkblatt Haftpflichtversicherung des gemeinnützigen Bundes der Versicherten:  bundderversicherten.de/