© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/16 / 15. April 2016

CD-Kritik: Eugene d‘Albert
Ozeanische Ströme
Sebastian Hennig

Eugene d’Albert ist berühmt geworden durch seine beispiellose Klavierkunst und seinen 1903 in Prag uraufgeführten Opernerfolg „Tiefland“. Bevor 1893 die erste seiner 21 Opern herauskam verfaßte der legendäre Blaubart zwischen zwei seiner sechs Ehekatastrophen zwei Streichquartette. Der Widmungsträger des ersten, der Geiger Joseph Joachim, wollte ihm daran gerade jene Eigenarten ausreden, welche heute den Zuhörer besonders reizen. Für die Widmung des zweite Quartetts bedankte sich Johannes Brahms mit vergiftetem Lob.

Dem eleganten d’Albert lagen der grüblerische Tiefsinn und die formalen Skrupel fern, mit denen seine Kritiker so unbarmherzig und ausdauernd um die Gestalt ihrer Werke rangen. Zugleich hörten sie ihn wohl lieber als Interpreten. In den Quartetten werden die Strudel seines Eigensinns immer wieder in die ozeanischen Ströme einer großzügigen Melodik zurückgesaugt. Mit einem beinahe undurchsichtigen Gemurmel fängt der zweite Satz an. Was die ganz Großen damals als Unselbständigkeit und Konfusion belächelten, wirkt auf uns heute reiz- und temperamentvoll. Der Hörer kann diese feine Musik genießen, ohne ihr ein Gewicht abzuverlangen, mit dem sie uns gar nicht bedrücken will. Was wir durch die Ersteinspielung des Leipziger Reinhold-Quartetts erhalten, lohnt in jedem Fall die Aufmerksamkeit.

Eugene d’Albert Streichquartette Nr. 1 & 2 CPO, 2016 www.jpc.de