© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/16 / 15. April 2016

Nachhaltigkeit garantieren nur Kleinbauern
Palmöl-Konzerne beherrschen den Weltmarkt und fressen den Regenwald / Verdopplung der Produktion?
Christoph Keller

Die Schweizer Naturschutzstiftung World Wide Fund For Nature (WWF) rechnet vor: Läge Deutschland in den Tropen, müßten das Saarland sowie ein Drittel von Rheinland-Pfalz kahlrasiert werden, wenn Großplantagen auf diesem entwaldeten Areal von 400.000 Hektar den Jahresbedarf an Palm- und Palmkernöl decken sollten. Für die Umweltschützer des Hamburger Vereins „Rettet den Regenwald“ gibt es daher nur einen Weg, solchen Vernichtungsorgien ein Ende zu bereiten: den radikalen Konsumwandel.

Auszeichnungspflicht für Lebensmittel mit Palmöl

Daß es dazu kommt, hält die Wissenschaftsjournalistin Edith Luschmann allerdings für äußerst unwahrscheinlich (Natur, 2/16). Denn die Nachfrage nach den pflaumengroßen Palmfrüchten scheint unbegrenzt zu expandieren. Die Palmölproduktion lag 2013 bei 58 Millionen Tonnen – eine Verzehnfachung im Vergleich zu 1983. Prognosen gehen bis 2050 nochmals von einer Verdopplung auf 120 bis 156 Millionen Tonnen aus. Etwa die Hälfte aller Supermarktprodukte – vom Brotaufstrich über Plätzchen bis hin zum Waschmittel – enthält Palm- oder Palmkernöl. Hinzu kommt der politisch induzierte und wachsende Bedarf der Biospritbranche.

Folglich setze sich der Kahlschlag in den Regenwäldern der weltgrößten Palmölexporteure – Indonesien und Malaysia – ebenso ungehemmt weiter fort wie in den kleineren afrikanischen und südamerikanischen Anbauregionen: mit allen Konsequenzen für den Rückgang der Artenvielfalt, den Verlust an Tropenwäldern als natürlichen CO2-Speichern, der Beschleunigung des Klimawandels. Trotz derartig düsterer Zukunftsperspektiven gebe es einige Bremsklötze, die die Auswirkungen auf Regenwald und Klima mildern könnten.

So verweist die Öko-Optimistin Lusch­mann auf den 2004 vom WWF initiierten „Runden Tisch für nachhaltiges Palmöl“ (RSPO). Diese Vereinigung von Umweltschützern, Händlern und Produzenten will nach dem Prinzip freiwilliger Selbstverpflichtung darauf achten, daß Plantagenbesitzer keine Urwälder abholzen, wenig Pestizide ausbringen, Schutzzonen einrichten und hohe Sozialstandards gewährleisten. Gegenwärtig ist jedoch erst ein Fünftel des weltweit gehandelten Palmöls vom RSPO als „nachhaltig“ zertifiziert. Und es sind nicht nur die konzedierten „laschen Kontrollen“, die einen Kritikerchor gegen den primär profit- denn umweltorientierten RSPO auf den Plan gerufen haben.

In Deutschland gilt seit Ende 2014 die Auszeichnungspflicht für alle Lebensmittel, die Palmöl enthalten. Der Effekt, so zitiert Luschmann Daniel May vom „Forum Nachhaltiges Palmöl“, sei indes beklagenswert gering, denn fast die Hälfte des zertifizierten Öls müsse als konventionelles verkauft werden. Ein Befund, der zugleich die auf „Verbrauchervernunft“ setzende „Rettet den Regenwald“-Strategie als Illusion entlarvt. So bleibt für Luschmann – jenseits des RSPO, wo die Palmöl-Konzerne dominieren – nur die kleinbäuerliche Nischen-Produktion als die umweltverträglichste Form des Anbaus übrig.

Ein Musterbeispiel dafür fand sie ausgerechnet im nördlichen Kolumbien, wo der Daabon-Konzern noch vor fünf Jahren weltweit Schlagzeilen machte, weil der kolumbianische Agrarkonzern, unterstützt von einer korrupten Provinzverwaltung, angeblich Landwirte in großer Zahl vertrieb, um auf ihren Äckern Plantagen anzulegen. Vorfälle, die Luschmann nicht erwähnt, weil heute stattdessen anscheinend ein harmonisches Miteinander zwischen Groß- und Kleinproduzenten herrscht. Die sich selbst als „Pioneer and a leader in the organic industry“ lobende Daalbon Group  habe darauf verzichtet, die Bauern enteignen zu lassen oder ihr Land aufzukaufen und arbeite stattdessen mit sieben Kooperativen zusammen. Daalbon sei eine Abnahmeverpflichtung für 20 Jahre eingegangen, bürge für ihre Kredite und schule sie im nachhaltigen Anbau.

Entwicklungen wie in Indonesien, wo Kleinbesitzer durch Kreditschulden in Abhängigkeiten von den Hauptplantagen gerieten und die so entstandenen Ausbeutungsstrukturen dem Nachhaltigkeitssiegel hohnsprächen, seien in Kolumbien bisher ausgeblieben. Vielmehr bildeten sich dort stabile „kleinteilige Strukturen“, die garantierten, das „umstrittene Pflanzenöl möglichst umweltschonend zu gewinnen“, da sich die Rodung des Regenwaldes erübrige. Dieses Format ist auch für die Aktivisten von „Rettet den Regenwald“ akzeptabel. Nur Kleinbauern könnten Ölpalmen wirklich nachhaltig anbauen. „In großen Maßstäben“ hingegen seien die Kosten für die Umwelt zu hoch. 

Deutscher Verein „Rettet den Regenwald“: www.regenwald.org