© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 16/16 / 15. April 2016

Umwelt
Rot, gelb, grün – blau!
Jörg Fischer

Eigentlich müßte die Branche zufrieden sein: 2015 wuchs der Pkw-Bestand um 1,5 Prozent auf über 45 Millionen Fahrzeuge. Die Anzahl der Lkws stieg um 3,7 Prozent auf 2,8 Millionen. Doch offenbar reicht das nicht – was aber tun? Einfach die Abwrack-Methode „Umweltzone“ reaktivieren: nach roter, gelber und grüner Plakette kommt nun eine blaue hinzu. Die erhält aber nur, wer ein Neufahrzeug hat, das die Schadstoffnorm Euro 6 erfüllt – das sind aber nur 73 Prozent der 3,2 Millionen Pkw-Neuzulassungen. Für mehr als 42 Millionen Autos mit Euro 1 bis 5 gelten künftig Fahrbeschränkungen, denn sie dürfen nicht mehr in die „blauen“ Umweltzonen fahren. Das hat kein Grünen-Parteitag, sondern ein Treffen der Umweltminister beschlossen. Die entsprechende Verordnung könnte noch in diesem Jahr wirksam werden, drohte Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium.

Wem es um die Umwelt geht, der müßte etwas gegen Direkteinspritzer unternehmen.

Wenn es um die Umwelt geht, müssen wir das eben ertragen, wird mancher argumentieren. Doch die Erfahrungen sind ernüchternd: Laut Umweltbundesamt (UBA) reduzieren die „grünen“ Umweltzonen in deutschen Innenstädten die Feinstaubemissionen bestenfalls um zehn bis zwölf Prozent. Die Stickoxidbelastung (NOX) sinke „weniger als erwartet“, so das UBA. Und über das, was der Ersatz von fahrtauglichen Autos mit roter oder gelber Plakette durch Neuwagen gekostet hat, schweigt sich die Behörde genauso aus wie die lobbygesteuerte Politik. Die Ökobilanz der Aktion dürfte noch verheerender sein. Wem wirklich die Volksgesundheit am Herzen liegt, der müßte etwas gegen den Trend zu aufgeladenen, hubraumschwachen Diesel- und Benzindirekteinspritzern unternehmen. Diese Motoren stoßen prinzipbedingt mehr Feinstaub und NOX aus – aber im realitätsfremden EU-Textzyklus weniger „klimaschädliches“ CO2. Und was sind schon Kinderlungen gegen die Rettung des Weltklimas?