© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/16 / 22. April 2016

Harsche Reaktion auf Bürgerprotest
Hamburg: Im Streit um den Bau von Großsiedlungen für Asylbewerber läßt die Verwaltung der Hansestadt die Muskeln spielen
Michael Johnschwager

Ein Jahr in Amt und Würden, sieht sich die rot-grüne Koalition von Hamburgs Erstem Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) einer Gruppe entschlossener Bürger konfrontiert, die vehement ein Umsteuern bei der Unterbringung von Flüchtlingen einfordert. Die unter einem Dachverband agierenden Bürgerinitiativen (JF 11/16) sperren sich gegen den vom Senat eingeschlagenen Weg, Flüchtlinge in einigen wenigen Großunterkünften anzusiedeln. Ihr Anliegen brachten sie nun auch auf Bezirksebene in Form mehrerer Bürgerbegehren vor. Die Reaktion war harsch: Das für alle sieben Bezirke federführende Bezirksamt Nord bewertete die Bürgerbegehren als rechtlich unzulässig. „Gleich mehrere Gründe sprechen aus unserer Sicht aber gegen die Zulässigkeit der Bürgerbegehren“, sagte der stellvertretende Chef der Behörde, Tom Oelrichs. Das Amt machte geltend, daß der Vorstoß der Bürger gegen mehrere Senatsbeschlüsse verstoße. Damit finden sich die Initiatoren nicht ab. Prompt kündigte der Dachverband rechtliche Schritte gegen diese Entscheidung an. Damit ist die nächste Runde in der Auseinandersetzung eingeläutet. 

Die Vorahnung von Initiativensprecher Klaus Schomacker sollte sich also als durchaus begründet herausstellen: „Uns beschleicht der Eindruck, als wolle der Senat um jeden Preis weiterbauen“,  hatte Schomacker vor der Entscheidung gemutmaßt. Zuvor hatten ihm und seinem Verband mehr als 26.000 Bürger mit ihrer Unterschrift für eine Volksinitiative den Rücken gestärkt und damit den Boden für die nun gestoppten Bürgerbegehren bereitet. Der Dachverband glaube nicht, „daß der Senat die Mehrheit der Hamburger durch das Aushebeln der Volksgesetzgebung umstimmen kann.“ Er plädiert daher für ein Bau-Moratorium, bis im Zuge von Verhandlungen eine Lösung im Sinne kleinerer Ansiedlungen, verteilt über die Stadt, gefunden worden ist.

Auf eine Anfrage an den Senat erfuhr die FDP-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft, daß derzeit der Bau von Flüchtlingswohnungen an 16 Standorten in der Hansestadt geplant ist. Die CDU vertritt eine Position, die in den wesentlichen Punkten übereinstimmt mit den Forderungen der Initiativen. CDU-Fraktionsvize Karin Prien bedient sich dabei einer Diktion, die den Positionen der Initiativen sehr ähnelt.  Auch sie zeigt sich wenig überzeugt von seitens des Senats gebetsmühlenartig behaupteter Gesprächsbereitschaft, die den Eindruck von Bürgerbeteiligung nur vortäusche. „Hinter den Kulissen jedoch werden vollendete Tatsachen geschaffen, und es findet ein kompromißloser Durchmarsch statt.“ Die AfD versucht den Unmut der Bürger über eine Reihe von Informations- und Diskussionsveranstaltungen in den Bezirken aufzugreifen.

Im Stadtteil Blankenese schlägt den hanseatischen Genossen hingegen Solidarität entgegen. An die 800 Demonstranten bevölkerten jüngst die Straßen des pittoresken Nobelquartiers an der Elbe und skandierten: „Blankenese für Flüchtlinge!“ Mitte April betrat Scholz die Bühne des Thalia-Theaters. Dort beantwortete er dem Publikum häufig gestellte Fragen zum Dauerthema Flüchtlinge. Davon beherbergt Hamburg momentan rund 20.000. Auf den Bürgermeister und seine Mitarbeiter kommt eine Herausforderung größerer Dimension zu. Im laufenden Jahr gilt es die stattliche Zahl von insgesamt etwa 50.000 Zugewanderten unterzubringen, menschenwürdig und sozialverträglich.