© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/16 / 22. April 2016

Konservatives Rumoren
Spanien: Ministerpräsident Rajoy durch Skandale geschwächt / Parteirechte formiert sich
Michael Ludwig

In der spanischen Regierungspartei Partido Popular (PP) rumort es gewaltig, und Ministerpräsident Mariano Rajoy kämpft an vielen Fronten gleichzeitig. In der vergangenen Woche trat im Zusammenhang mit den „Panama Papers“ Industrieminister José Manuel Soria von seinem Ministeramt zurück, gleichzeitig legte er sein Abgeordnetenmandat nieder und verzichtete auf die Präsidentschaft seiner Partei auf den Kanarischen Inseln.

Rechte wollen Einheit des Landes garantieren 

Zunächst hatte Soria betont, keinerlei Verbindungen zu Offshore-Steuerparadiesen gehabt zu haben. Als später jedoch entsprechende Dokumente an die Öffentlichkeit kamen, reagierte der 58jährige Sohn eines Obstexporteurs mit widersprüchlichen Erklärungen, die schließlich zu seinem Rücktritt führten. In einer Erklärung räumte er ein, er habe der Partei und der Regierung Schaden zugefügt. Dies sei in der „aktuellen politischen Lage besonders gravierend.“

Das ist es in der Tat. Denn die Regierung in Madrid ist eine auf Abruf. Nach den Parlamentswahlen am 20. Dezember vergangenen Jahres ist sie nur noch geschäftsführend im Amt. Den großen Parteien ist es bis jetzt noch nicht gelungen, eine neue Koalition zu schmieden. Sollten sie bis zum 2. Mai keine zustande bringen, wird es am 26. Juni zu Neuwahlen kommen.

Soria galt als Vertreter des konservativen Flügels der PP, der ohnehin mit den anderen innerparteilichen Gruppierungen im Clinch liegt. Es ist vor allem die Abtreibungsfrage, die die Partei spaltet. Die Korrekturen, die von der Regierung Rajoy an dem von den Sozialisten verabschiedeten Abtreibungsgesetz vorgenommen wurden, gehen vielen nicht weit genug. Vor diesem Hintergrund haben sich zahlreiche Plattformen und Gesprächszirkel aus rechtsstehenden PP-Mitgliedern und engagierten Vertretern der katholischen Kirche gebildet. „Bei diesen Treffen wird offen über die Gründung einer neuen Partei diskutiert“, schreibt die Madrider Tageszeitung El Mundo.

Aber es geht nicht nur um dieses Thema. „Wir wollen das verteidigen, was wir immer verteidigt haben“, erklärte ein Parlamentsabgeordneter, der seinen Namen nicht veröffentlicht sehen wollte, in einem Zeitungsinterview. Dies betreffe vor allem die Einheit des Landes, die von Basken, Katalanen und teilweise auch von Galiziern in Frage gestellt werde. Nun könne Mariano Rajoy keinesfalls dafür kritisiert werden, den verschiedenen regionalen Unabhängigkeitsbestrebungen den Boden zu bereiten, aber etwas mehr an offensiver Verteidigung des Vaterlandes wünschten sich zahlreiche Parteimitglieder dann doch.

Sorge bereitet den innerparteilichen Kritikern vor allem, daß die Parteispitze den Sozialisten und den Ciudadanos, sollte es wider Erwarten doch noch zu einem Regierungsbündnis kommen, zu weit entgegenkommt. Den Sozialisten in Fragen der Finanz- und Wirtschaftspolitik, indem Sparmaßnahmen aufgeweicht oder zurückgenommen werden, oder bei der sogenannten Modernisierung des Landes, die von den bürgerlichen Ciudadanos gefordert wird. Modernisierung bedeutet in den Augen der Konservativen in der Regel nichts anderes, als Traditionsbestände abzuräumen.

Eine Schlüsselposition in der Antwort auf die Frage, wohin die politische Reise gehen soll, nimmt Jaime Mayor Oreja ein – eine der Galionsfiguren der spanischen Rechten. Der 64jährige studierte Agrarwissenschaftler aus dem baskischen San Sebastian war von 1996 bis 2001 Innenminister und sitzt seit 2004 für die PP im Europaparlament. Mayor Oreja hat sich bislang stets geweigert, den Franquismus zu verurteilen. In einem Interview erklärte er, über die Repression in der Zeit nach dem Spanischen Bürgerkrieg würden „unendliche Mythen“ verbreitet. 

Nichtwähler sollen zurückgeholt werden

Welche Chancen hätte eine neue, rechts ausgerichtete Partei? Kaum einer der Rebellen glaubt, daß Rajoy es schaffen wird, spanischer Regierungschef zu bleiben, was den politischen Absprung von der PP erleichtert. Analysen der Parlamentswahl am 20. Dezember vergangenen Jahres ergaben, daß die Stimmenverluste der PP (insgesamt 39,1 Prozent) zu 15 Prozent auf das Konto der Ciudadanos gingen, weitere 15 Prozent verlor der PP an die Nichtwähler. Diese stellen nach Überzeugung der konservativen Abweichler ein genügend großes Reservoir dar, das die Gründung einer neuen Partei rechtfertigt.

Eine weitere Hypothek in Sachen Regierungsbildung oder dem möglicherweise bevorstehenden Wahlkampf für die PP stellt der ehemalige Regierungschef José María Aznar dar, der ins Visier der Finanzbehörden geraten ist. Sie fordern von ihm eine Steuernachzahlung sowie ein Bußgeld in Höhe von über einer Viertelmillion Euro. Gleichzeitig wurde der Bürgermeister von Granada, José Torres Hurtado, auch er ein PP-Mitglied, zusammen mit einem Dutzend Mitarbeitern vorübergehend festgenommen. Ihm werden zweifelhafte Immobiliengeschäfte vorgeworfen. Die PP hat Hurtado zwischenzeitlich von seiner Parteizugehörigkeit suspendiert.