© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 17/16 / 22. April 2016

An der Bomberjacke führt kein Weg vorbei
Models, Modeblogger, Schauspieler oder Otto Normalverbraucher: Das einstige Szene-Kleidungsstück ist entpolitisiert im Mainstream angekommen
Ronald Berthold

Ist die neue von Heike Makatsch gespielte „Tatort“-Kommissarin im Neonazi-Milieu zu Hause? Wäre mal etwas Neues, wo doch sonst die öffentlich-rechtlichen Ermittler fast durchweg alleinerziehende, linksgestrickte Gutmenschen sind. Aber ganz so gegen den Strich gebürstet hat es der SWR dann wohl doch nicht gemeint, als Kommissarin Ellen Beringer mit schicker roter Bomberjacke die Verbrecher auf der Mattscheibe durch das weltoffene Freiburg jagte.

Denn das einstige Skinhead-Accessoire ist entpolitisiert wieder zurück. Sowohl bei Modeschöpfern als auch bei den neuesten Trends hinterherlaufenden „Shoppern“ gilt die Bomberjacke plötzlich als hip. „Die Bomberjacke kommt ganz stark und bleibt auch ganz stark“, sagt Diplom-Designer Robert Herzog von der Staatlichen Modeschule in Stuttgart. Ein paar kleine Veränderungen am Schnitt, und fertig ist die Wiedergeburt eines einst verpönten Kleidungsstückes: „Die Bomberjacke von damals ist viel zu maskulin. Heute ist sie weniger bullig geschnitten, liegt enger an.“

Früher riskierte man Prügel für die Jacke

Weniger bullig – damit ist sie nun politisch korrekt. Wer in den achtziger und neunziger Jahren versehentlich zu der Jacke griff, einfach nur, weil sie ihm gefiel, der mußte sich rechtfertigen, wurde massiv angeklagt. In manchen Vierteln wie Berlin-Kreuzberg riskierte man sogar eine ordentliche Tracht Prügel und eine hysterisch gerufene Betitelung als „Nazi-Schwein“!

Wir können nur hoffen, daß es sich bis in die Antifa-Treffpunkte herumgesprochen hat, daß die Bomberjacke heute der letzte Schrei ist. Heike Makatsch soll sich doch nicht auch noch im richtigen Leben mit zwielichtigen Gestalten herumschlagen müssen.

Natürlich ruft das Comeback der fast kragenlosen Jacken nach Erklärungen der Modepäpste. Besonders provokant äußert sich der Geschäftsführer des Deutschen Mode-Instituts, Gerd Müller-Thomkins: „Das sind Versatzstücke einer vermeintlich vergangenen Freiheit.“ Die Bomberjacke als Symbol vergangener Freiheit. Auweia. Von Farbanschlägen auf seine Hausfassade ist jedoch noch nichts bekannt.

Für alle, die sich dem     Zeitgeist anverwandeln

Den Armeeläden rennen die Kunden gerade die Türen ein. Die Preise gehen nach oben. Ein Händler erzählt, daß er aufgrund der großen Nachfrage inzwischen bis zu 150 Euro pro Stück nehmen kann. Und die Kunden sind beileibe nicht alles Piloten. Im Internet sind die Preise zwar nicht im Sturzflug, aber für rund 120 Euro ist das Stück, die Stilikone Heike Makatsch trug, zu haben. Derselbe Hersteller, Alpha Industries, bietet die gute alte dunkelgrüne Bomberjacke für Herren allerdings auch schon für stolze knapp 200 Euro an. Wer aussehen möchte wie eine baseballschlägerschwingende Glatze aus dem vorigen Jahrhundert, muß also doch ziemlich tief in die Tasche greifen. Offen ist noch die Frage, wann auch die Springerstiefel ihr Revival erleben – am besten in Kombination mit der Jacke.

Man höre und staune: Stefanie Giesinger, vor zwei Jahren Siegerin bei „Germany’s next Topmodel“, trägt nun Bomberjacke. Der von ihr präsentierte sogenannte Metallic-Look, also mit glänzender, meist goldener Beschichtung, erfreut sich vor allem bei jungen Frauen großer Beliebtheit. Das Modemagazin Très Click überschreibt einen Artikel mit der offenherzigen Botschaft: „Wir lieben die personalisierte Bomberjacke von Stefanie Giesinger“, und Style schlagzeilt: „Wir lieben die Bomberjacke von Heike Makatsch“. Sogar Bild der Frau, die sich nun wirklich nicht unbedingt an die jüngere Generation wendet, veröffentlicht eine Ratgeber-Geschichte mit dem Titel: „Bomberjacken – Der Look, der zu fast allem paßt.“ Auch das Hochglanzmagazin Elle hat erkannt: „Bomberjacken sind das Trendteil der Saison schlechthin!“

Alle, die etwas auf sich, ihren Geschmack und den Zeitgeist halten, lieben also plötzlich das einst verrufene Kleidungsstück und machen sie vor allem den Frauen schmackhaft. Fragt sich nur, ob die Begeisterung und Lockerheit bleiben, wenn eines Tages Frauke Petry beim privaten Grillfest von Papparazzi damit abgelichtet wird. Wahrscheinlich steht uns dann eine wochenlange aufgeregte Debatte ins Haus.