© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/16 / 29. April 2016

„Dieser Parteitag wird spannend!“
Alice Weidel leitete die Bundesprogrammkommission der AfD. Nun hofft sie in Stuttgart auf einen neuen Aufbruch für die Partei
Moritz Schwarz

Frau Dr. Weidel, entscheidet der Programmparteitag tatsächlich, ob die AfD bürgerliche Reformpartei bleibt oder „wutbürgerliche“ Fundamentalopposition wird?

Alice Weidel: Woran machen Sie das fest? 

So sieht es der Politologe Werner Patzelt. 

Weidel: In Stuttgart werden wir sehr viele politische Felder behandeln. Natürlich gibt es darunter auch strittige. Daß es dabei aber um eine Richtungsentscheidung geht, kann ich nicht erkennen.

Sie sehen kein Auseinanderklaffen des Kurses wie ihn etwa die Landesvorsitzenden in Stuttgart und Mainz einerseits und andererseits etwa die in Potsdam, Erfurt oder Magdeburg repräsentieren?  

Weidel: Ich gehe davon aus, daß das Programm die Partei als liberal-konservative Kraft bestätigen wird. Warum ich aber mit der von Ihnen formulierten Gegenüberstellung – bürgerliche Reformpartei einerseits, Fundamentalopposition andererseits – ein Problem habe, ist, weil ich mich selbst zwar als bürgerlich-liberal orientiert betrachte, gleichzeitig aber die Frage des staatlichen Geldmonopols als einen der wichtigsten politökonomischen Kritikpunkte überhaupt erachte. Eine Frage also, die ohne Zweifel „systemkritisch“ ist. Darin sehe ich aber absolut keinen Gegensatz. 

„Kritik des staatlichen Geldmonopols“?

Weidel: Ich glaube, daß die Schaffung des Geldes aus dem Nichts, das sogenannte Papier- oder Fiatgeld, auf das der Staat durch die staatliche Zentralbank ein Monopol hat, eine der Hauptquellen für viele unserer Probleme ist. Aus etlichen Gründen wäre es besser, unser Geldwesen privat zu organisieren, die Marktteilnehmer könnten dann zwischen verschiedenen Währungen wählen. So hätten wir echten Währungswettbewerb und der Bürger wäre etwa nicht mehr dem Papiergeld ausgeliefert, das nach Belieben entwertet werden kann.

Gestartet ist die AfD als „Anti-Euro“-Formation, derzeit ist sie angeblich die „Anti-Islam-Partei“. Wird sie nach Stuttgart ein neues Antlitz haben und wenn ja, welches?

Weidel: Ich hoffe vor allem auf einen Wandel in der Wahrnehmung der AfD als Anti-Partei. Hier erwarte ich vom Parteitag einen großen Schritt weg vom Image der Protestpartei hin zu einer konstruktiven Kraft, die Konzepte und Lösungen bietet. Nicht, daß dies nicht schon der Fall wäre, aber das auch öffentlich zu vermitteln, wäre mein Wunsch. 

Noch haftet Ihnen das Image „Anti-Islam-Partei“ an. Kann es in Stuttgart überhaupt gelingen, dieses loszuwerden – beziehungsweise will die AfD das überhaupt?

Weidel: Das hoffe ich doch sehr. Wir sind sicherlich eine islamkritische Partei, was auch wichtig ist. Aber ich halte den Spruch „Der Islam gehört zu Deutschland“ für ebenso undifferenziert wie „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“. Warum? Weil es „den“ Islam nicht gibt. Was meiner Wahrnehmung nach in der AfD mit „Islam“ mehrheitlich gemeint ist, ist ein orthodoxer Islam, der auf der Scharia basiert. Dazu eine kritische Position zu formulieren, würde ich nicht per se als „anti Islam“ bezeichnen. Ebensowenig wie unsere Kritik, daß islamische Lehrer und Imame aus dem Ausland finanziert werden, was teilweise hochaggressiv orthodoxe Strömungen in unser Land trägt, die nicht mit unserer Rechts- und Gesellschaftsordnung kompatibel sind. Zumal wir nicht nur uns, sondern auch viele integrierte Muslime vor einem solchen Islam schützen müssen, dem das Konzept einer säkularisierten Religion fremd ist. 

Sie waren Leiterin der Programmkommission. Welches sind die Themenfelder, zu denen die meisten Anträge vorliegen?

Weidel: Das sind außer den Themen  Euro, Asyl und Islam vor allem die Wirtschafts-, Steuer- und Familienpolitik sowie die außenpolitische Orientierung. Wichtig ist auch, wie wir uns zu anderen „Global players“, beispielsweise zu China, positionieren. Umstrittenes Thema ist übrigens auch die Klimapolitik. Das heißt, der Parteitag wird spannend, weil er in etlichen umkämpften Bereichen Entscheidungen bringen wird.

Ist die Vielzahl von Anträgen zu bestimmten Themen wirklich Ausdruck eines allgemeinen Interesses innerhalb der Partei oder sind da Interessengruppen am Werk?

Weidel: So ist es – es gibt da einige sehr rührige Netzwerke. 

Zum Beispiel? 

Weidel: Darauf möchte ich nicht näher eingehen. Aber das ist ein Grund, warum ich mich immer gegen die Organisation einzelner Interessengruppen innerhalb der Partei ausgesprochen habe.

Da aber am Ende beschlossen werden muß, was gelten soll, stellt der Parteitag doch ein Korrektiv dar.

Weidel: Das stimmt, einerseits. Glücklicherweise entscheidet die Mehrheit der Mitglieder. Andererseits hat ein Parteitag seine eigene Stimmung, und da kann es auch mal zu Überraschungen kommen. 

Rechnen Sie für Stuttgart mit solchen?

Weidel: Das müssen wir abwarten. 






Dr. Alice Weidel, ist Mitglied im Bundesvorstand der AfD und leitete bis Januar 2016 die Bundesprogrammkommission der Partei. Geboren wurde die Diplomkauffrau und Volkswirtin 1979 in Gütersloh.  

 

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