© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/16 / 29. April 2016

Grüne Berufe gegen grünes Ministerium
Sachsen-Anhalt II: Bauernverbände protestieren gegen „ideologische“ Agrarpolitik und sind enttäuscht von der CDU
Christian Vollradt

Genutzt hat ihr Brandbrief am Ende doch nicht. 16 Verbände aus der Agrar- und Forstwirtschaft in Sachsen-Anhalt hatten in einem gemeinsamen Schreiben an die CDU-Kreisverbände davor gewarnt, das Landwirtschafts- mit dem Umweltressort zusammenzulegen und den Grünen zu überlassen. Doch genau so ist es nun gekommen: Seit dieser Woche steht die Grüne Claudia Dalbert, Psychologie-Professorin aus Halle mit Schwerpunkt „Gerechtigkeitserleben und Ungerechtigkeitserfahrungen“ an der Spitze eines „Superministeriums“ für Umwelt, Landwirtschaft und Energie (siehe nebenstehender Artikel). 

Damit, so die Vertreter von Jagdgenossenschaften, Grund- und Waldbesitzern, Bauern und Tierzüchtern, werde die Zukunftsfähigkeit ihrer Branche künftig bedroht. Denn ein grün geführtes Landwirtschaftsministerium bedeute – wie die bisherigen Beispiele aus Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein zeigten –, daß seitens der Politik nicht mehr kooperiert, sondern diktiert werde und „statt Sachkenntnis die Ideologie“ herrsche. 

Eine Hand auf den Rücken gebunden

Weil die Grünen, die nur dank ihrer Hochburgen in den studentisch geprägten Wahlbezirken von Halle und Magdeburg knapp über die Fünfprozenthürde kamen, eine idealisierte „schöne Welt“ anstrebten, führe ihre ideologisierte Politik zur wirtschaftlichen Schwächung des ländlichen Raumes und „zur Auflösung der dort gelebten Werte“, beklagen sich die Agrar- und Forstverbände. „Faktisch erlangt damit zudem die Partei mit dem geringsten Vertrauenszuspruch im ländlichen Raum die Kontrolle über die Perspektiven desselben“, kritisieren sie. Und drohend in Richtung Union heißt es weiter: „Diese Entscheidung auf Landesebene wird bundesweite Tragweite für die CDU haben.“ Der Wählerwille auf dem Land – Sachsen-Anhalt ist jenseits der Industrieregion um Merseburg agrarisch geprägt – bevorzuge „Eigenverantwortung statt obrigkeitsstaatlicher Ansätze“, heißt es am Ende des offenen Briefs.

Der Mißmut über die neue Kenia-Koalition in Magdeburg trifft auf eine ohnehin miese Stimmung in der Branche. Denn die hat sich laut Konjunkturbarometer Agrar des Deutschen Bauernverbandes (DBV) im März weiter verschlechtert. Darin bezeichnen 21 Prozent der Landwirte die Liquiditätslage ihrer Betriebe als angespannt oder sehr angespannt.

Dies führt zu einem drastischen Rückgang der Investitionsbereitschaft. So falle das für die nächsten sechs Monate geplante Investitionsvolumen auf 3,7 Milliarden Euro. Das sind gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum 1,4 Milliarden Euro weniger. Erhalten habe sich lediglich noch ein gewisser Zweckoptimismus nach dem Motto: „Es kann nicht schlechter werden.“ 

„Deutschland droht Teile seiner Struktur von familienbäuerlichen Unternehmen mit nachhaltiger Wirtschaftsweise und hoher Leistungsfähigkeit zu verlieren“, befürchtet der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied. Niedrigere Erzeugerpreise auf wichtigen landwirtschaftlichen Märkten sind die Hauptgründe für die weiter verschlechterte Situation.

Während einer Podiumsdiskussion der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in Berlin forderte Rukwied die Bundesregierung auf, auch das nachgewiesene Ungleichgewicht in der Vermarktungskette zu beseitigen und das Kartellrecht nachzuschärfen. Für die Landwirte sei wichtig, daß der Staat die Rahmenbedingungen beim Ordnungsrecht richtig setze und unternehmerische Leistungen und Verantwortung nicht durch Überregulierung ersticke.

Auch für den Deutschen Bauernbund (DBB), die Standesvertretung bäuerlicher Familienbetriebe in den neuen Bundesländern, steht fest: Ein „Weiter so“ sei ausgeschlossen. Der DBB fordert zur Überwindung der katastrophalen Situation unter anderem eine gedeckelte Entschuldung der Tilgungsverpflichtung für aufgenommene Investitionskredite für fünf Jahre. Um eine Chancengleichheit im Wettbewerb mit den europäischen Nachbarn herzustellen, dürfe es für die deutschen Bauern keine weiteren Verschärfungen von EU-Vorgaben geben, so Bauernbund-Präsident Kurt-Henning Klamroth. Dies betreffe beispielsweise die Novellierung der Düngeverordnung, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, Maßnahmen in der artgerechten Tierhaltung und im Umwelt- und Naturschutzrecht. 

Denn solche verschärften Auflagen – insbesondere in Bundesländern mit grünen Ressortschefs – führten dazu, daß „uns die Politik einen Arm auf den Rücken bindet und sagt: ‘Dann kämpft mal schön auf dem Weltmarkt ...!’, wie es ein Landwirt während der Podiumsdiskussion der Unionsfraktion ausdrückte.

Meinte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) auf derselben Veranstaltung noch, die Landwirtschaft sei „keine abgeleitete Funktion der Umweltpolitik“, so wird in Sachsen-Anhalt nun genau das gegenteilige Signal ausgesendet. Auch dank des Einknickens der dortigen CDU.