© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/16 / 29. April 2016

Fernstenliebe fordert niemand
Jakob Tscharntke über christliche Fehlbotschaften
Werner Olles

Mit zwei Predigten zur Zuwanderungsproblematik sorgte Jakob Tscharntke, Pastor der Evangelischen Freikirche Riedlingen, im Oktober 2015 für Schlagzeilen. Nun hat er ein Büchlein vorgelegt, das auf seinen Predigten basiert und sich mit dem grundsätzlichen Irrtum derer beschäftigt, die bei der derzeitigen Invasion mit Nächstenliebe oder dem barmherzigen Samariter argumentieren. 

Tscharntke nennt dies „Kategorienfehler“. Sie würden ganz bewußt eingesetzt, um Behauptungen scheinbar zu beweisen und andere gezielt für dumm zu verkaufen. Denn tatsächlich sei es so, daß das biblische Gebot der Bruderliebe, der Nächstenliebe und auch der Feindesliebe immer nur die Ebene der persönlichen Begegnung betreffe. Das Liebesgebot in all seinen Schattierungen sage nichts darüber aus, ob und in welcher Zahl ein Volk Fremde in seinem Land aufnehmen müsse. 

Zum einen sei dies eine Frage der persönlichen Beziehungsebene, zum anderen eine der politischen Ebene. So habe Gott Israel das Recht auf Verteidigung mit Waffengewalt gegeben gegen eindringende Feinde. Dies gelte auch für das neue Testament, heißt es doch in Römer 13,1-4: „Die Obrigkeit hat das Schwert, denn sie ist Gottes Dienerin.“ Der Staat hat vor Gott die Pflicht, sein Volk vor Unheil zu schützen, notfalls auch mit Gewalt. Nirgendwo habe Jesus davon gesprochen, daß wir unser Land von einfallenden Horden ausplündern lassen müßten. 

So rede die Bibel zwar freundlich von den voll integrierten Fremdlingen, doch gelte dies nur für jene, die sich ganz in das Volk integriert haben und hart arbeiten. Der Fremde hingegen, der nicht zum Volk paßt, wird auch so behandelt, nämlich als Nichtdazugehörender. Zu diesen Fremden ist Distanz zu halten. Daher sei die heute diskutierte Frage, ob wir vom Wort Gottes her verpflichtet seien, massenhaft Fremde bei uns aufzunehmen und ihnen dieselben Sozialleistungen zur Verfügung zu stellen wie unseren eigenen Bürgern, mit „Nein“ zu beantworten! 

Der Blick auf die politischen und geistlichen Fehlentwicklungen zeige jedoch, wer eine derartige Politik betreibe, der schüre Bürgerkrieg im eigenen Land. Letztlich habe jedoch ein Volk die Regierung, die es aufgrund seiner Gottlosigkeit verdiene.

Jakob Tscharntke: Einordnung der Zuwanderung aus biblischer Sicht. Lichtzeichen Verlag, Lage 2016, 80 Seiten, 1,95 Euro