© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/16 / 06. Mai 2016

Abgang durch die Vordertür
BND: Geheimdienstchef Schindler stolpert über die Spätfolgen der NSA-Affäre
Christian Schreiber

Mitten in der Reformdebatte um den Bundesnachrichten-Dienst (BND) bekommt der Auslandsgeheimdienst einen neuen Chef. BND-Präsident Gerhard Schindler wird in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Der FDP-Mann, Burschenschafter und Ex-Fallschirmjäger geht dabei standesgemäß durch die Vordertür. Obwohl im vergangenen Herbst aufgrund eines Hörsturzes für einige Wochen krankgeschrieben, verzichtete er auf den zur Gesichtswahrung angebotenen Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen.  

Zum 1. Juli scheidet der knorrige Jurist aus, Nachfolger wird mit Bruno Kahl ein Vertrauter von Kanzleramtsminister Peter Altmaier und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU). Altmaier dankte Schindler in einer Mitteilung für seine „langjährige, verdienstvolle Arbeit“ seit 2012, richtete den Blick aber gleich in die Zukunft. „Der Bundesnachrichtendienst steht in den kommenden Jahren vor großen Herausforderungen, die alle Bereiche seiner Arbeit betreffen.“

Schon öfter gab es Debatten über eine Ablösung Schindlers an der Spitze des 6.500 Mann starken Dienstes. Der Geheimdienstchef soll der Kanzlerin ein Dorn im Auge gewesen sein. Dennoch war der Zeitpunkt der Ablösung überraschend. Gründe, den 63jährigen abzuberufen, hatte es in den vergangenen Jahren wiederholt gegeben. Als der ehemalige amerikanische Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden offenlegte, daß der BND von den Abhöraktionen der amerikanischen NSA nicht nur wußte, sondern auch noch tatkräftig half, forderte die Opposition Konsequenzen.  Denn der NSA-Untersuchungsausschuß brachte wenig Schmeichelhaftes zutage. So gibt  es innerhalb des BND Abteilungen wie die sogenannte Technische Aufklärung, die niemandem mitteilten, was sie tun, und die auch niemand danach fragt. Die Zeit hatte die Ausschußarbeit dahingehend zusammengefaßt, „daß er belegt hat, daß sich der BND der parlamentarischen Kontrolle entzieht und auch die Aufsicht durch das Kanzleramt nicht funktioniert“.

Dienst mit angestaubtem Image

Schindler geriet schließlich auch noch durch unbedachte Äußerungen bezüglich Syrien („Assad übersteht das nicht lange“) ins Fadenkreuz seiner Kritiker.  Doch zuletzt waren die Debatten um den BND verstummt. Der Zeitpunkt des Wechsels hat daher wilde Spekulationen über die Hintergründe entfacht. Offiziell standen der gesundheitliche Zustand und das Alter Schindlers im Vordergrund. Denn der BND soll und wird in den kommenden Jahren stark umgebaut werden. Noch immer befindet sich sein Sitz in Pullach bei München. Doch bis Ende 2017 soll der Umzug in die gigantische neue Zentrale in Berlin-Mitte erfolgt sein. Zudem wird sich auch die Arbeitsweise des Dienstes verändern. „Moderner und effizienter“ solle er werden, heißt es in Berlin. Das angestaubte Image von Schlapphüten im Kalten Krieg soll abgelegt werden, dafür wird jede Menge Geld fließen. 

Ein Hauptbetätigungsfeld wird in der Beobachtung des Internets liegen. Experten gehen davon aus, daß der Prozeß der Umstrukturierung drei bis fünf Jahre dauern wird. Zu lange für Schindler, der in gut zwei Jahren planmäßig in Rente gehen wird. Sein Nachfolger ist dementsprechend jünger und zudem noch ein Weggefährte der CDU-Granden Altmaier und Schäuble. Bisher war der 53 Jahre alte Kahl Abteilungsleiter im Bundesfinanzministerium. Zuvor arbeitete er im Innenministerium – sein Chef damals: Wolfgang Schäuble. 2011 übernahm Kahl im Bundesfinanzministerium die Leitung der Abteilung VIII, zuständig für Privatisierungen, Beteiligungen und Bundesimmobilien und war in dieser Funktion auch für die organisatorischen Abläufe des Umzugs des BND zuständig. Als sicherheitspolitischer Experte ist er bisher nicht in Erscheinung getreten. 

Und so wundern sich nicht nur Oppositionspolitiker über seine Berufung. Stephan Mayer, Innenpolitischer Sprecher der Union, beeilte sich zwar zu versichern, daß Kahl ein „sicherheitspolitischer Generalist“ sei, wunderte sich aber doch über den abrupten Wechsel an der BND-Spitze. „Gerhard Schindler war zwar mitunter unbequem und forsch, aber reformwillig, offen und mutig. Für mich war er einer der besten BND-Präsidenten, die es je gegeben hat“, sagte er der Welt. 

Die unbequeme Haltung Schindlers, der in Saarbrücken Jura studierte, sich in der Burschenschaft Germania engagierte und mehrere Partien schlug, durchkreuzte offenbar auch die Pläne von Schäuble und Altmaier. Die Ablösung Schindlers galt wohl längst als beschlossene Sache, es wurde nur noch nach dem passenden Zeitpunkt gesucht. Während der Hochphase der NSA-Affäre den BND-Chef auszuwechseln, hätte auch die Frage nach den Verantwortlichkeiten in der Politik gestellt. 

In den vergangenen Jahren hatte der scheidende BND-Chef versucht, die Arbeit seiner Behörde transparenter zu machen. Kaum einer seiner Vorgänger war medial so präsent wie der FDP-Mann, der nur ungern Weisungen der Politik entgegennahm. Damit dürfte es nun vorbei sein. Bruno Kahl – so sagte es Altmaier – sei „ausgesprochen loyal und verläßlich“.