© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/16 / 06. Mai 2016

Zeitschriftenkritik: Fluter
Eingliederung contra Parallelgesellschaft
Werner Olles

In Deutschland leben 16,4 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund; bei Kindern und Jugendlichen liegt der Anteil derer, die nichtdeutsche Wurzeln haben, schon bei rund einem Drittel. „Deutschland ist seit Jahrzehnten ein Einwanderungsland, und es wird sich dessen zunehmend bewußt“, schreibt Thorsten Schilling, Chefredakteur von Fluter. Das vierteljährlich erscheinende Magazin wird von der Bundeszentrale für politische Bildung herausgegeben. In der aktuellen Ausgabe (Frühling 2016/Nr. 58) widmet sich die Zeitschrift dem Titelthema „Integration“.

In einem Interview vertritt der Migrationsforscher Jochen Oltmer die Meinung, wenn in Deutschland über Integration gesprochen und geschrieben werde, sei damit „immer Anpassung oder schlimmer: Eingliederung“ gemeint. Er bezeichnet dies als „Gleichmacherei“ und möchte, wenn die Rede von Parallelgesellschaften aufkommt, darunter auch Millionäre fassen, da deren Lebensstil ja auch nur von wenigen geteilt werde. Deutschland ist für Oltmer ein Einwanderungsland ähnlich wie die USA, Kanada, Australien oder Neuseeland. Geflissentlich verschweigt er, daß diese Staaten nur solche Einwanderer ins Land lassen, die sie brauchen und von denen ihre Gesellschaften profitieren. Grotesk ist auch seine Sicht auf die islamischen Verbände, die er allen Ernstes als „regelrechte Integrationsagenturen“ bezeichnet. 

Glücklicherweise widerspricht ihm ein paar Seiten weiter Seyran Ates, deutsche Rechtsanwältin und Frauenrechtlerin türkisch-kurdischer Herkunft, die den Islam-Verbänden vorwirft, an Integration nicht wirklich interessiert zu sein, sondern an der Aufrechterhaltung von Parallelgesellschaften. Nur so hätten sie Macht und Kontrolle über ihre Mitglieder und könnten dafür sorgen, daß Themen wie „Ehrenmorde“ und Zwangsheiraten nicht in die Öffentlichkeit dringen. Tatsächlich vermittelten die meisten Imame und Verbände eher das Abstandhalten zu den Deutschen nach der Devise: „Assimiliert euch nicht! Paßt auf, daß euch die Deutschen nicht zu Christen machen! Daß ihr keine ungläubigen Schweinefleischfresser werdet!“ Kreuzberg nennt sie eine Parallelgesellschaft, in der Menschen leben, die für sich ihre eigene Welt aufgebaut haben und den Rest des Landes gar nicht kennen. Dort existiere „eine Art Gefängnis für Frauen und Kinder, die nicht allein ohne Männer auf die Straße gehen dürfen“. 

Kritische Gedanken beinhaltet auch ein Beitrag über die französischen Vorstädte, Problemviertel, in denen hohe Arbeitslosigkeit herrscht und sich viele Bewohner einem radikalen Islam zuwenden. Muslimische Jugendliche protestieren hier immer wieder gegen ihre angebliche Marginalisierung und Chancenungleichheit und pflegen dabei ihren Haß auf die neue Heimat. Zwar weiß der Staat, daß es in den Banlieues jede Menge Waffenlager gibt, läßt jedoch aus falschverstandener Toleranz die Arme hängen. Ob aber die Ersetzung der maroden Betonburgen durch schönere Häuser an dieser Problematik etwas ändert, ist mehr als fraglich.

Kontakt: Dummy Verlag, Torstraße 109, 10119 Berlin.  www.fluter.de