© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 19/16 / 06. Mai 2016

Umwelt
Almosen für Reiche
Jörg Fischer

Erfolgreiche Elektromobilität gibt es seit Kaisers Zeiten: 1884 fuhr die erste Straßenbahn von Frankfurt nach Offenbach. Die erste elektrifizierte Bahnstrecke wurde 1895 eröffnet. 1901 fuhr der erste O-Bus in Eberswalde und in Wuppertal die Schwebebahn. Ein Jahr später nahm die Berliner U- und 1907 die Hamburger S-Bahn den E-Betrieb auf. Und während in der Schweiz die Züge seit 2004 hundertprozentig elektrisch fahren, sind bei der Deutschen Bahn keine 60 Prozent der Strecken unter Fahrdraht. Für neue Tram-, U- und S-Bahnlinien ist kein Geld da – zur Subventionierung der 40.000-Euro-Drittwagen grüner Besserverdiener werden hingegen ab Mitte Mai Milliarden lockergemacht: Für E-Autos soll es 4.000 Euro und für „Hybride“ (Autos mit Verbrennungsmotor, die auf Kurzstrecken elektrisch rollen) 3.000 Euro Zuschuß geben.

Wolfgang Schäuble knickte vor der Autolobby und seiner Klimakanzlerin ein.

Das Finanzministerium, das 2015 noch vor „signifikanten Mitnahmeeffekten“ warnte, knickte vorige Woche vor der Autolobby und der Klimakanzlerin ein: Ressortchef Wolfgang Schäuble präsentierte zusammen mit Sigmar Gabriel und Alexander Dobrindt das „Aufbruchsignal für Elektromobilität“. Die 1,2 Milliarden Kaufprämie teilen sich Autobranche und Bund. Die 300 Millionen für Ladestationen, die 100 Millionen für den E-Fuhrpark des Bundes sowie die Fiskusrabatte trägt der Steuerzahler ganz. Daß Markwirtschaftler und Naturschützer die „Privilegierung“ hochpreisiger Autos ablehnen, versteht sich. Selbst für Merkels 2020er Traum von einer Million E-Autos reicht das Berliner Zuckerbrot nicht: Für die noch fehlenden 974.000 E-Autos wären 3,9 Milliarden Euro fällig. Doch die Kunden wollen keine überteuerten Kleinwagen ausschließlich für Kurzstrecken. Deswegen droht letztlich die skandinavische Peitsche: Norwegen diskutiert, ab 2025 den Verkauf von Benzin- und Dieselautos zu verbieten.