© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/16 / 13. Mai 2016

Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann zurückgetreten
Opfer der Lauten
Lothar Höbelt

Werner Faymann war ein braver Parteisoldat, der Niederlagen hinnahm und wegsteckte, weil der Koalitionspartner ÖVP meist noch mehr verlor. Er war ein so braver Parteisoldat, daß er den Ruf als politisches Leichtgewicht gern in Kauf nahm und sich eigene Meinungen weitgehend verkniff, sondern stets als Resultante des innerparteilichen Kräfteparallelogramms fungierte. Wenn ein so pflegeleichter Vorsitzender entnervt das Handtuch wirft, so liegt es wohl daran, daß sich keine Resultante sozialdemokratischer Politik mehr erkennen läßt. Die Mehrheit der Partei hat schon eine Umkehr in der Asylpolitik durchgesetzt; ihre Wortführer (darunter auch der Gewerkschaftsboß) wollten jetzt auch das Verhältnis zu den Freiheitlichen normalisieren. 

Gegen beides wehrt sich eine Minderheit am linken Flügel, die beim traditionellen 1.-Mai-Aufmarsch lautstark Faymanns Rücktritt forderte. Oder wie es ein Faymann-Verteidiger aus Wien formulierte: „Was nicht geht, ist, über medialen Druck zu versuchen, Mehrheiten zu verschieben.“ Ob die SPÖ jetzt Retter von außen einfliegen läßt oder nach einem weiteren braven Parteisoldaten sucht, der Zwiespalt zwischen der traditionellen Basis und den trendigen Aktivisten bleibt aufrecht.





Prof. Dr. Lothar Höbelt lehrt Neuere Geschichte an der Universität Wien.