© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 20/16 / 13. Mai 2016

Ohne erforderliche Erlaubnis
Raststätte Rodaborn: Bratwürste gefährden das Abzockmonopol von Allianz & Co.
Jörg Fischer

Das Urteil im „kuriosen Bratwurststreit an A9“ (FAZ) ging durch alle Medien: Das Verwaltungsgericht Gera (VGG) hat die „Klage gegen die Untersagung des Verkaufs von Speisen und Getränken über den Zaun auf dem Autobahnparkplatz Rodaborn abgewiesen (3K649/14)“. Bei dem Wurstverkauf handele es sich „um eine straßenrechtliche Sondernutzung, für die die erforderliche Erlaubnis nicht bestehe“, hieß es im schönsten Juristendeutsch.

Doch die Imbißbetreiber, Christina Wagner und ihr Mann Georg, lassen sich nicht kleinkriegen. Die Mittfünfziger verkaufen weiter ihre Thüringer für 2,50 und die ungarischen Kolbas für drei Euro über den Zwei-Meter-Zaun, der die älteste Autobahnraststätte Deutschlands von dem A9-Parkplatz kurz vor der Abfahrt Triptis trennt. Ihre Klage hat aufschiebende Wirkung, „bis das Urteil rechtskräftig ist oder der Beklagte die sofortige Vollziehbarkeit der Verfügung anordnet“, verlautbarte das VVG.

Auch wenn das Ganze wie eine Bürokratenposse wirkt und sich die Frage stellt, ob das Landesamt für Bau und Verkehr nichts Wichtigeres zu tun hat, als eine weitere mittelständische Existenz zu zerstören – die thüringischen Behörden müssen exekutieren, was auf Bundesebene ausgekungelt wurde: 1994 wurden die bundeseigene Raststättengesellschaft GfN und der Ex-DDR-Ableger OATG zur Tank & Rast GmbH vereint. 1998 wurden die 350 Tankstellen, 390 Rasthäuser und 50 Hotels „privatisiert“. Aus einem behäbigen Staatsbetrieb entstand ein rücksichtsloses privates Monopol – mit dem Staat als Büttel, der jegliche Konkurrenz ausschaltet. Sprich: das Bundesfernstraßengesetz (FStrG) läßt Nebenbetriebe zu, eine Konzession kann erteilt werden – oder auch nicht.

Die in den neunziger Jahren noch zahlreichen Imbißwagen auf den Ex-DDR-Parkplätzen verschwanden – dank FStrG – nach der Jahrtausendwende fast vollständig. Einer der letzten, „Angelikas Imbiß an der A10“ (JF 34/15), wurde am 31. Januar im Zuge von Bauarbeiten am südlichen Berliner Ring eliminiert. 2015 landete Tank & Rast – nach einer Eigner-Odyseee – bei einem Allianz-Konsortium. Und die Assekuranzbranche zählt zu eifrigsten Parteispendern.

Der Staat sichert dreistellige Millionengewinne

Jede Wurst, die über den Zaun von Rodaborn gereicht wird – oder gar von möglichen „Nachahmungstätern“ angeboten würde – schmälert die Gewinne der großen Raststätten, die ihre Würste ein bis zwei Euro teurer anbieten, für den Kaffee 3,10 Euro verlangen und für den „Sanifair“-Toilettenbesuch 70 Cent einstreichen. Reich werden die meisten Raststättenpächter damit nicht – die Lizenz zum Abzocken haben Allianz, Münchener Rück & Co. Der Tank & Rast-Jahresgewinn lag 2014 bei 236 Millionen Euro – die GfN war mit 50 Millionen D-Mark Pacht zufrieden.

Wem die Raststätten zu teuer sind, der könne ja auf die Autohöfe abseits der Autobahnen ausweichen, argumentieren Monopollobbyisten. Doch Tank & Rast hat auch schon sieben Autohöfe unter Kontrolle. Die vielleicht einzige Chance für Rodaborn ist die kommende Bundestagswahl – da brauchen etablierte Politiker viele positive Nachrichten. Und derjenige Bundesminister, der den Wagners die Imbiß-Konzession erteilt und die Tür im Zaun aufschließt, kann sich positiver Presse gewiß sein.

Infoseiten zu den Raststätten-Rebellen: facebook.com/

 www.angelikas-imbiss-a10km96.de