© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/16 / 20. Mai 2016

„Wir werden nicht scheitern“
Unglaublich, aber wahr: Laut Prognosen könnte Norbert Hofer am Sonntag in der Stichwahl siegen und damit die FPÖ erstmals das höchste Staatsamt Österreichs erobern
Moritz Schwarz

Herr Hofer, wie sicher ist Ihre Wahl zum Bundespräsidenten?

Norbert Hofer: Die Wahl ist keineswegs entschieden, es könnte knapp werden. Aber ich bin sehr zuversichtlich.

Warum?

Hofer: Weil ich am Echo der Bürger erlebe, wie groß die Zustimmung ist.

Woran könnte Ihre Wahl noch scheitern?

Hofer: Wer zu seinen Überzeugungen steht und geradlinig bleibt, der wird nicht scheitern. 

Und wenn doch? 

Hofer: Ich glaube, der Wähler honoriert Politiker, die authentisch bleiben. 

Sie meinen, im Unterschied zu Ihrem Konkurrenten, dem unabhängigen Kandidaten – allerdings Mitglied der Grünen – Alexander Van der Bellen?

Hofer: Herr Van der Bellen versucht nun die Wähler der Kandidaten, die im ersten Wahlgang gescheitert sind, einzusammeln, indem er ihnen jeweils ein Angebot macht und dies und das verspricht. Ich glaube, das macht keinen aufrichtigen Eindruck. Ich glaube, es wird schließlich überzeugen, wer bei seinen klaren Standpunkten bleibt.

In der Bundesrepublik würden sich wohl alle etablierten Parteien verbünden, um einen Kandidaten wie Sie zu verhindern. Warum passiert das in Österreich nicht?

Hofer: Weil ich in der österreichischen Politik kein Unbekannter bin. Meine Mitbewerber kennen und einige schätzen mich. Wobei der eine oder andere schon dazu aufruft, nun allesamt Van der Bellen zu unterstützen. Aber das sind jene, die bereits gescheitert sind und hoffen, durch solche Appelle noch einmal vor den Vorhang treten zu können.

Waren Sie von Ihrem Erfolg in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen am 24. April selbst überrascht?

Hofer: Absolut! Ich war regelrecht überwältigt! Zwar habe ich im Wahlkampf schon enorme Zustimmung gespürt, aber daß es dann 35 Prozent werden würden, damit habe ich nicht gerechnet.  

Dabei wollten Sie ursprünglich gar nicht antreten. Warum nicht?

Hofer: Ich hatte mich geziert, weil ich dachte, ich bin zu jung. Wissen Sie, in meiner Vorstellung ist ein Bundespräsident ein älterer Herr. Und das sind die Kandidaten der anderen Parteien auch. Allerdings gibt es in der Bevölkerung offenbar den Wunsch nach einem Repräsentanten, der mitten im Leben steht, nach einem ganz normalen Menschen an der Spitze des Staates. Und ich glaube, das bin ich. Ich fahre mit dem Fahrrad zum Einkaufen und mähe am Wochenende meinen Rasen. Meine Frau ist Altenpflegerin und wir leben mit unserer Tochter in einem durchschnittlichen Einfamilienhaus im Burgenland – wir sind eine ganz normale Familie. 

Dann haben, wie Ihre Kritiker sagen, die Bürger gar nicht den Freiheitlichen Norbert Hofer, sondern den smarten, gutaussehenden Mittvierziger gewählt?

Hofer: Nein. Im Wahlkampf habe ich zwei Argumente gehört. Einmal skeptisch: „Sie sind aber doch noch sehr jung.“ Und: „Gut, daß mal ein Jüngerer kandidiert.“ Mein Eindruck war, daß sich das ausgleicht. Ich meine nicht, daß ich deshalb so viele Bürger überzeugt habe, weil ich noch vergleichsweise jung, sondern weil ich – wie gesagt – ein normaler Typ bin. Und weil – was mir von vielen im Wahlkampf gesagt wurde – die Menschen meine klaren Antworten schätzen. Übrigens auch solche Bürger, die inhaltlich nicht ganz mit dem einverstanden sind was ich sage, die mir aber Anerkennung dafür gezollt haben, daß ich überhaupt eindeutig antworte. Meine Mitbewerber dagegen haben häufig das getan, was Politiker leider oft tun, nämlich um den heißen Brei herumreden, ausweichen, keine Antwort geben oder ihren Standpunkt ändern. Genau das aber haben viele Bürger satt. 

Die Bürger hätten vor allem den ÖVP/SPÖ-Filz satt, so erklärt die Mehrheit der Beobachter Ihren Erfolg. Wieso das aber ausgerechnet jetzt? Dieser Filz existiert doch schon seit Jahrzehnten. 

Hofer: Sicher spielt die enge schwarz-rote Verflechtung auch eine Rolle. Aber ich betrachte das nicht als den Hauptgrund für meinen Erfolg. 35 Prozent – das sind nicht einfach nur Protestwähler gegen die Etablierten. Nein, das sind aus meiner Sicht ganz klar vor allem Hoffnungswähler, die sich inhaltliche Veränderungen für unser Land wünschen.

Mancher spricht angesichts Ihres Erfolges und der hohen Umfragewerte für die FPÖ bereits vom Ende der Zweiten Republik.

Hofer: Dieses Gerede halte ich für grundsätzlich falsch. Denn die Zweite Republik, das sind doch nicht SPÖ und ÖVP! Da würden doch Parteien und Staat in eins gesetzt! Nein, die Zweite Republik macht unser demokratisch-republikanisches Verständnis aus und nicht die Frage, wer die Mehrheit hat. 

In der Bundesrepublik wird der Erfolg der AfD damit erklärt, daß die Parteien inklusive der Union immer weiter nach links gerückt sind. Das kann man in Österreich so eindeutig allerdings doch nicht sagen?

Hofer: Nein, das kann man nicht, da stimme ich Ihnen zu. Hierzulande ist vielmehr das Problem, daß SPÖ und ÖVP Versprechen gemacht haben, die sie dann höchstens halbherzig umgesetzt haben. Deshalb glaubt ein großer Teil der Bevölkerung nicht mehr, daß sie die entscheidenden Probleme des Landes in Zukunft noch werden lösen können.

Sie spielen offensichtlich etwa auf die Wende der Großen Koalition in Wien in der Einwanderungspolitik an. Verdanken Sie also der Asylkrise Ihren Wahlerfolg?  

Hofer: Sicher hat diese auch eine Rolle gespielt. Daß sie aber den Ausschlag gegeben hat, das glaube ich nicht. Zum einen, weil die FPÖ etwa schon bei den letzten Landtagswahlen in der Steiermark im Mai 2015 einen Riesenerfolg erzielt hat – wir sind dort nahezu gleich stark wie SPÖ und ÖVP geworden –, und das war vor Beginn der Flüchtlingskrise. Zum anderen bin ich im Wahlkampf von den Bürgern vielfach auch auf ganz andere Themen als die Flüchtlingskrise angesprochen worden. 

Zum Beispiel?

Hofer: Zum Beispiel TTIP, das ich im Wahlkampf als Riesenthema erlebt habe.

Sie haben angekündigt, das Abkommen nicht zu unterzeichnen, sollten Sie Bundespräsident werden. 

Hofer: Von TTIP ist jeder Bürger betroffen, deshalb plädiere ich in dieser Frage für eine Volksabstimmung. 

Wie sehen Sie das Abkommen selbst?

Hofer: Kritisch. Und zwar weil wir in Österreich und Europa meist ganz andere Produktionsbedingungen haben als in den USA. Hierzulande gelten in der Regel viel strengere Arbeitnehmerschutzbestimmungen, Verbrauchernormen oder Umweltauflagen als dort. Unsere Betriebe sind also wesentlich höher „belastet“ als amerikanische und können deshalb mit diesen in einem gänzlich freien Handel nicht einfach konkurrieren. Folglich müßte man nivellieren – was bedeutet, unsere Standards abzubauen. Und das will ich nicht. Allerdings, nicht nur in der Frage TTIP plädiere ich für eine Volksabstimmung. Die Weiterentwicklung der direkten Demokratie ist mir überhaupt ein Herzensanliegen.

Warum? 

Hofer: Weil die Bürger nicht in Legislaturperioden denken, sondern einen weiteren Horizont haben – davon bin ich überzeugt. Auch weil sie zum Beispiel an ihre Kinder und Enkelkinder denken. Man sieht etwa an den Entscheidungen in der Schweiz, wie vernünftig diese oft sind. Auch direkte Demokratie hat im Wahlkampf eine große Rolle gespielt.

Mal ehrlich, für direkte Demokratie interessieren sich die meisten Leute doch gar nicht, solange sie zufrieden sind. 

Hofer: Ich glaube, wenn man dieses Instrument ausbaut, werden die Leute auch mobilisiert. Denn wenn sie merken, daß sie beteiligt werden, wächst ihr Interesse. Und schließlich wirkt direkte Demokratie der Wahrnehmung vieler entgegen, die den Staat als etwas betrachten, mit dem sie nichts zu tun haben: Hier ich, dort der Staat. Nein, das stimmt nicht! Der Staat, das sind wir alle! Das Bewußtsein dafür muß geweckt werden. Das ist für eine positive demokratische Entwicklung unserer Gesellschaft ganz wichtig. 

Nicht nur Sie, die FPÖ an sich ist inzwischen unglaublich erfolgreich. In den Umfragen liegt sie als stärkste politische Kraft in Führung, und man spekuliert, der nächste Bundeskanzler könnte Heinz-Christian Strache heißen. Wie ist dem Außenseiter FPÖ das gelungen? 

Hofer: Ich sage, das liegt eindeutig daran, daß wir seit Jahren ganz klare Positionen vertreten. Bei SPÖ und ÖVP dagegen wissen die Wähler doch gar nicht mehr, wofür diese stehen. Mal so, mal so – heute Hü, morgen Hott. Bei der FPÖ dagegen ist diese Frage klar beantwortet – und das überzeugt auch Wähler, die keineswegs inhaltlich mit allem übereinstimmen, was wir vertreten. Ein weiterer Punkt ist, daß wir vielfach vorhergesagt haben, was passiert, wenn die etablierte Politik so weitermacht. Diese Vorhersagen sind eingetreten. Nun sehen immer mehr Bürger, daß die FPÖ recht gehabt hat. Und die anderen Parteien waren sogar gezwungen, teilweise auf unseren Kurs umzuschwenken, was natürlich wiederum die Glaubwürdigkeit der FPÖ gestärkt hat.  

Allerdings hat die FPÖ doch auch Fehler gemacht, denken Sie an die teilweise unrühmliche Regierungspolitik der schwarz-blauen Koalition, die Affäre Hypo Alpe Adria, die eklatante Mißwirtschaft im FPÖ-Bundesland Kärnten und schließlich die Entzweiung mit Jörg Haider.

Hofer: Jörg Haider war eine Figur mit großer Strahlkraft, aber auch er hat immer wieder seine Positionen geändert. Das hat der neue Parteichef Heinz-Christian Strache nach der Trennung von Haider nicht getan. Strache ist immer geradlinig geblieben und konnte deshalb das Vertrauen wieder aufbauen. 

Ist der Erfolg der FPÖ gar nicht der Erfolg der Partei, sondern der Straches?

Hofer: Das würde ich so nicht sagen, aber anders als Haider hat Strache immer darauf geachtet, auch andere starke Politiker ins Boot zu holen. Er hat eine starke Persönlichkeit, aber er ist teamfähig und wie gesagt geradlinig. Ich meine, das ist das Geheimnis seines Erfolgs.

Halten Sie einen Aufstieg wie den der FPÖ zur führenden Kraft langfristig auch für die AfD für möglich?

Hofer: Ich glaube, das kann die AfD durchaus auch schaffen – und das nicht einmal unbedingt nur langfristig. 

Aber ticken die Uhren hierzulande nicht deutlich anders?

Hofer: Mag sein, aber wenn sie ein gutes Parteiprogramm erarbeitet, ihre Positionen konsequent vertritt und auch in der Organisation – also im flächendeckenden Parteiaufbau – fleißig ist, dann kann die AfD sehr bald schon eine Partei sein, an der man nicht mehr vorbeikommt.

Allerdings herrscht in der Bundesrepublik eine starke Politische Korrektheit, die die Mehrheit in der Mitte einschüchtert und überwiegend von der AfD fernhält.

Hofer: Die Politische Korrektheit war in Österreich nicht weniger stark und rabiat gegen die FPÖ gerichtet. Und dennoch konnten wir uns durchsetzen. Natürlich aber ist es für die AfD ganz wichtig, sich davon nicht beirren zu lassen. Das heißt, sich von extremen Positionen unbedingt fernzuhalten und sich nicht zu diesen verführen zu lassen, nur weil andere behaupten, die Partei vertrete diese ohnehin bereits. Patriotismus, auf keinen Fall aber Nationalismus; Wirtschaftsliberalismus und gleichzeitig auch soziale Verantwortung: Diese Formel halte ich für den Weg zum Erfolg – auch für die AfD, zumindest so weit ich das beurteilen kann.  






Norbert Hofer, ist Kandidat der Freiheitlichen Partei Österreichs für das Amt des Bundespräsidenten. 1994 wechselte der ehemalige Flugtechniker (unter anderem der Fluglinie Lauda Air) als Wahlkampfleiter der FPÖ in die Politik. 2006 zog er für die Freiheitlichen in den Nationalrat – das österreichische Parlament – ein. Seit 2013 bekleidet er das Amt des dritten Nationalratspräsidenten. Zudem ist er einer von fünf Vize-Parteichefs der FPÖ. Geboren wurde Hofer, der seit einem schweren Sportunfall 2003 einen Gehstock benötigt, 1971 in der Steiermark. 

Foto: Bundespräsidentschaftskandidat Hofer: „Damit habe ich selbst nicht gerechnet ... Ich bin von der enormen Zustimmung, die ich schon im Wahlkampf gespürt habe, regelrecht überwältigt“

 

 

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