© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/16 / 20. Mai 2016

Die Möglichkeiten sind da
Facebook: Hinweisgeber bestätigen den Verdacht, daß das Netzwerk konservative Nutzer gezielt zensiert
Ronald Berthold

Facebook sei wie zu Ostzeiten das neue Westfernsehen, postete neulich ein Nutzer. Der Endvierziger freute sich, über das soziale Netzwerk an Informationen zu kommen, die er von den Leitmedien nicht erhalte. Doch wie frei ist die Nachrichtenverbreitung dort tatsächlich? Daß Facebook zensiert, steht außer Frage. Wohl jeder Nutzer weiß, daß eine blanke Frauenbrust umgehend gelöscht wird.

Auch darüber hinaus gerät der amerikanische Konzern zunehmend unter Zensurverdacht. Vergangene Woche verbreiteten ehemalige Mitarbeiter, daß das Unternehmen gezielt konservative Posts und sogar Quellen, also nichtlinke Medien, unterdrückt. Die Behauptungen, die Facebook einen Tag später dementierte, bezogen sich auf die USA. Belegbar sind solche Maßnahmen für Deutschland noch nicht. Aber die Einzelfälle häufen sich.

So berichtete kürzlich die frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld auf der Internetseite „Achse des Guten“, wegen eines kritischen Merkel-Posts sei ihre gesamte Facebook-Seite gesperrt worden. Zwar habe sich das Unternehmen später entschuldigt, es handele sich um ein Versehen. Aber wie kann es so weit kommen?

Zunächst sind da die Algorithmen, die gegen die Gemeinschaftsstandards verstoßende Beiträge umgehend eliminieren. Facebook setzt diese automatisierten Stichwortsuchen aber auch ein, um seine Mitglieder vor einer angeblichen Informationsflut zu stoppen. So gab das Unternehmen bekannt, daß es nicht alle Beiträge der Freunde in die eigene Chronik schafften. Nur, was die Algorithmen für den Nutzer für relevant halten, wird diesem überhaupt angezeigt. Von 1.500 Posts blieben demnach nur 300 übrig. 80 Prozent der Mitteilungen der Freunde fallen also unter den Tisch. Facebook erklärt, es wüßte anhand der Interaktionen, also zum Beispiel der Likes und Kommentare, die ein Mitglied zu den Posts aus seinem Netzwerk absetzt, für wen was wichtig ist. Jede Woche werden diese Algorithmen aktualisiert.

Gewaltaufrufe von Linken und Islamisten bleiben

Das mag von Nutzen sein, hat aber auch eine Kehrseite. Traut sich zum Beispiel ein öffentlich Bediensteter aus Sorge um mögliche berufliche Konsequenzen nicht, auf einen Pegida- oder AfD-Post zu reagieren, zeigt Facebook ihm das künftig nicht mehr an, obwohl er sich vielleicht dafür interessiert. Jeder Algorithmus kann auch zu Zensurzwecken mißbraucht werden.

Außerdem bietet das soziale Netzwerk die Möglichkeit, Beiträge zu melden, die gelöscht werden sollten. Machen davon viele Gebrauch, kann der Post und vielleicht sogar der gesamte Account gesperrt werden. So könnte es zu dem „Versehen“ gekommen sein, Vera Lengsfeld aus dem Verkehr zu ziehen.

Weltweit setzt Facebook auch Suchtrupps aus Zehntausenden Menschen ein, die gezielt auf die Jagd nach nicht-korrekten Posts gehen. „Die Müllabfuhr im Internet“ nannte die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung daher kürzlich eine Veranstaltung, die sich der Problematik widmete. Daß auch in Deutschland eine sogenannte Taskforce auf Initiative von Bundesjustizminister Heiko Maas nach sogenannter Haßsprache forscht, spielte dabei allerdings weniger eine Rolle. Viel Kritik erzeugte die Tatsache, daß die Gruppe von einer ehemaligen Stasi-IM und Antifa-Gruppen dominiert werde. Vor allem konservative und rechte Beiträge verschwänden seitdem im Nirwana, während sogar Gewaltaufrufe von links und von Islamisten weitgehend unbehelligt blieben.

Haßsprache ist bisher nicht definiert und scheint sich zu einem Gummiparagraphen zu entwickeln, von dem offenbar besonders eifrig Gebrauch gemacht wird, wenn Kritik an der linken Amadeu-Antonio-Stiftung geäußert wird, die in der Taskforce nach nichtgenehmen Posts fahndet. Das berichtete ein Betroffener gegenüber der JUNGEN FREIHEIT (JF 9/16). Der Fall aus den USA liegt ähnlich. Hier enthüllten Ex-Facebook-Angestellte, Kuratoren des Unternehmens hätten bei der in Deutschland nicht verfügbaren Trending-Funktion, die die beliebtesten Beiträge anzeigen soll, gezielt konservative Inhalte unterdrückt. Linke Posts dagegen, die nicht ausreichend oft geklickt worden waren, schafften es angeblich ohne Berechtigung in die Rangliste. 

Der republikanische Gouverneur von Wisconsin, Scott Walker, hat bei Twitter daraufhin gefragt, wie viele seiner Follower davon genervt seien, daß „Facebook konservative Gedanken zensiert“ und ein großes Echo geerntet. Facebook-Chef Mark Zuckerberg reagierte mit einem Gesprächsangebot an führende konservative Publizisten wie Glenn Beck, das für Mittwoch terminiert war. In der Türkei indes hat sich Facebook den Machthabern unterworfen. Dort legen die Verhaltensregeln offiziell fest, was verboten ist. Prokurdische und auch regierungskritische Posts werden gelöscht. Die Türkei hielt den Druck hoch, indem sie Facebook mehrfach gesperrt hatte.

Auch Deutschland zieht die Daumenschrauben weiter an. Maas kritisierte vergangene Woche, daß die Lösch-Praxis „noch nicht einen Zustand erreicht hat, mit dem man zufrieden sein kann“. Und sein Staatssekretär Billen forderte: „Es muß bei Facebook noch mehr passieren.“