© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 21/16 / 20. Mai 2016

Abschied von der Nation: Migrationsströme mit „fluiden Strukturen“ auffangen
Hauptsache ortsungebunden
(wm)

Je nach Zählmethode besteht die „Weltgemeinschaft“ aus 190 bis 210 Staaten, die als Nation organisiert sind. In Europas aktueller „Flüchtlingskrise“ hat das Ordnungsmodell Nationalstaat, zuerst in Ungarn, dann auch in Österreich, erneut seine Funktionstüchtigkeit unter Beweis gestellt, nachdem die in Berlin und Brüssel favorisierte multikulturell-supranationale Alternative (Dublin III bzw. EU-Außengrenzenüberwachung durch Frontex) versagt hat. Gleichwohl glaubt die an der Birzeit University nahe Ramallah lehrende Ideen-historikern und Zeit-Autorin Adania Shibli den „Abschied vom Nationalstaat“ propagieren zu müssen. In einem Beitrag für die vom Auswärtigen Amt mitfinanzierte Zeitschrift Kulturaustausch (2/2016) greift sie dafür auf die wenig originelle These Benedict Andersons zurück, der 1983 die Nation als „Erfindung“ und „kulturelles Konstrukt“ deklarierte, worüber sich freilich kein Kulturtheoretiker seit Johann Gottfried Herder (1744–1803) im unklaren war. Aber anders als für Herder und dessen Nachfolger indiziert für Anderson und Shibli das „Imaginäre“ Willkürlichkeit und Verzichtbarkeit nationaler Identität. Angesichts der „Migrationsströme“ sollte daher der „nationale Bezugsrahmen“ von „ortsungebundenen kulturellen Strukturen“ abgelöst werden, in denen „Fluidität herrscht“. 


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