© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/16 / 27. Mai 2016

Ein grüner Pyrrhus-Sieg
Die Wahl des Bundespräsidenten hat die FPÖ knapp verloren. Doch fast halb Österreich stimmte für Blau
Markus Brandstetter

Norbert Hofer hat es nicht geschafft. Der Kandidat der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) ist nicht österreichischer Bundespräsident geworden, sondern dem Grünen Alexander Van der Bellen unterlegen. Daß Van der Bellen nur mit einer hauchdünnen Mehrheit gewonnen hat, einem so geringen Vorsprung, wie es ihn noch nie bei einer Wahl zum Bundespräsidenten in der Wiener Hofburg gab, sagt etwas über die Härte des Rennens aus, macht aber im Endeffekt keinen Unterschied: bei Präsidentschaftswahlen gibt es weder Silbermedaillen noch Trostpreise.

Es hat jetzt keinen Sinn, mit tiefschürfenden Analysen, Anlagen, Statistiken und Meinungen zu kommen, davon haben wir in jüngster Zeit alle reichlich genug gehört. Auch ist Norbert Hofer kein Vorwurf zu machen. Überhaupt keiner. Er hat einen großen Kampf gekämpft, und er hat ihn fair gekämpft. Mehr als der FPÖ-Kandidat in den vergangenen Monaten getan hat, kann ein Mensch nicht tun. Und die Widrigkeiten, die man ihm entgegengesetzte, die Bäume, wie man in Österreich sagt, die man gegen ihn aufgestellt hat, waren schon beispiellos.

Wenn Hofer, was ja oft genug geschehen ist, im ORF interviewt wurde, dann wurde er nicht befragt, sondern verhört; dann stand er quasi wie ein Krimineller da, den man nicht nach seinen Ideen für Österreichs Zukunft fragt, sondern mit seinen unterstellten Verbrechen konfrontiert. Für jede Kleinigkeit, jede Aussage, jede noch so nebensächliche Bemerkung mußte er sich rechtfertigen. Alles, was Hofer sagte, meinte und tat, wurde von vornherein negativ ausgelegt. Ein Sträußchen Kornblumen am Revers war die direkte Verbindung zu Hitler; die Betonung, daß der österreichische Bundespräsident mehr Aufgaben, Rechte und Pflichten habe als ein Operettenkaiser und durchaus in die Politik eingreifen dürfe, wurde als der Weg zum Staatsstreich à la Mussolini gedeutet; Hofers Bekenntnis zu Heimat, Vaterland und Österreich – als intellektueller Faschismus.

Der ORF, der sich zur Hälfte aus den Gebühren aller Österreicher finanziert und laut Satzung und Auftrag neutral und überparteilich sein sollte, war von Anfang an ebenso Hofers größter Feind, wie er der erste Freund seines Gegenkandidaten war. 

Und wie ruhig, sachlich und freundlich ist Hofer bei allen Gesprächen, diesen ganzen Talkshows, Diskussionsrunden und Interviews geblieben. Der Freiheitliche und seine Berater wußten natürlich, daß nur frische Ideen, kühler Sachverstand und wirkliche Alternativen zum österreichischen Politikschlamassel sie vorwärtsbringen würden, und so ist Hofer auch aufgetreten. Während alle anderen, insbesondere aber Van Bellen, wieder und wieder gesagt haben: Der neue Kurs ist der alte, eine Haltung, die die österreichische Politik seit nunmehr 50 Jahren charakterisiert, hat einzig Hofer auf Veränderung gesetzt. 

Hofer hat reale Mißstände wie das Durchschleusen von Millionen von Migranten durch Österreich als einen Bruch von Recht und Gesetz gebrandmarkt; er hat gesagt, daß dieses ewige Weiterfinanzieren der griechischen Staatspleite ebenso sinn- wie rechtswidrig ist. Und auch für Hofer ist der Islam, mindestens aber der konservative Islam, der den westlichen Zivilstaat ablehnt, kein Teil unserer Gesellschaft, eine Aussage, die die meisten Österreicher teilen. 

Dem gegenüber stand mit Alexander Van der Bellen ein Kandidat, der zwar als Ökonom und Hochschuladministrator seine Verdienste hat, aber natürlich auch wegen seines Alters – und das ist jetzt kein Vorwurf – für die Perpetuierung der Verhältnisse in Kakanien stand, wie Robert Musil Österreich gerne genannt hat. 

Als SPÖ und ÖVP, die sich durch Günstlingswirtschaft und politischen Stillstand in Jahrzehnten vom normalen Österreicher meilenweit entfernt hatten, in höchster Not erkannten, daß Hofer ihnen ans Eingemachte gehen würde, da haben sie, wie überhaupt der ganze politische Apparat, ihr verbliebenes Gewicht hinter den Grünen geworfen. Von dem wird nun erwartet, daß er so handelt wie Kaiser Franz Joseph I., der, wenn er etwas besichtigt, besucht oder angeschaut hatte, sich immer mit den Worten verabschiedete: „Es war sehr schön und hat mich sehr gefreut.“

Ziemlich genau die Hälfte der Österreicher hat Hofer und seine neuen Ideen und Ziele gewählt, während für seinen Konkurrenten viele gestimmt haben, die nur eine Absicht hatten: einen Bundespräsidenten Hofer zu verhindern. Ihn zu verhindern, bedeutet aber: weitermachen wir bisher. Weitermachen wie bisher heißt jedoch: die 50 Prozent der Österreicher, die Hofer und die FPÖ gewählt haben, zählen nicht, die interessieren das politische Establishment nicht. Der Wahlkampf der Hofer-Gegner war am Schluß ein rein taktischer. Aber wer sich nur um Taktik kümmert, weiß nichts von großer Strategie, den interessieren die wahren Probleme der Österreicher, etwa die hohe Arbeitslosigkeit und die 100.000 Einwanderer, die jetzt ganz schnell integriert werden müssen, überhaupt nicht. Taktiker sind nur an kleinen, schnellen Siegen interessiert. Es wird sich aber bald zeigen, daß das ein Pyrrhussieg war. Denn wie Abraham Lincoln einmal gesagt hat: „Man kann eine Zeitlang das ganze Volk verschaukeln, und man kann Teile des Volkes sogar immer verschaukeln, aber alle Menschen die ganze Zeit hinters Licht führen – das kann man nicht.“

Die Hälfte der Österreicher, die Hofer gewählt hat, muß nach wie vor den Eindruck haben, daß ihre Wünsche, Sorgen und Ängste von den regierenden Parteien nicht ernstgenommen oder gleich ganz ignoriert werden. Spätestens im Jahr 2018 werden in Österreich Nationalratswahlen stattfinden, vielleicht aber auch schon früher. Und dann werden die, die bei dieser Wahl ausgebremst wurden, um so vehementer ihre Meinungen und Wünsche artikulieren.