© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/16 / 27. Mai 2016

Lesereinspruch

Falsche Diagnose

Zu: „Der Beginn des 21. Jahrhunderts“, im Gespräch mit Karlheinz Weißmann (JF 20/16)

Als stolzer Liberaler lese ich Ihre Zeitung, weil sie ein wohltuender Gegenpol zur publizierten Einheitsmeinung von FAZ, Süddeutscher & Co. ist. Bei dem, was Herr Weißmann hier darlegt, habe ich aber energisch zu widersprechen: Nicht nur ist seine Analyse völlig falsch, der Liberalismus kenne „keine Gemeinschaften, keine Identität, keine Bindungen“. Damit fällt er auf jene Linken herein, die heute den Begriff „Liberalismus“ pervertieren, indem sie Toleranz und Relativismus bis zur Selbstaufgabe predigen und, selbst von Intoleranz zerfressen, mittels „Political Correctness“ Schweigespiralen erzeugen. 

Auch geht seine Diagnose fehl, es gebe „immer weniger Staat und immer mehr Markt“ – es gab noch nie soviel Staat wie heute! Noch mehr stört mich, daß er „Gehorsam“ gegenüber dem Staat fordert. Die AfD als „patriotisch-sozial“ zu bezeichnen, schrammt knapp am Namen einer historischen Partei vorbei, die Europa einst in gräßlichstes Elend stürzte. Weißmanns Obrigkeitsdenken gehört ins 19. Jahrhundert. Der Liberalismus steht dagegen für aufgeklärte und freie Bürger.

Ralf Klewe, Düsseldorf