© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/16 / 27. Mai 2016

Faule Kredite bringen ansehnliche Renditen
Finanzmarkt: Wirklich gutes Geld verdienen Sparkassen und Volksbanken derzeit nur noch mit kleinen und mittleren Unternehmen / Höhere Gebühren für Girokonten
Markus Brandstetter

Jetzt stellen Sie sich vor, Sie wären der Chef einer Bank in einer Stadt wie Koblenz, Siegen, Rosenheim, Schwerin, Neuss, Pirmasens, Paderborn, Jena, Ulm, Bottrop, Lüdenscheid oder Kaiserslautern. Dann hätten Sie in der Tiefgarage einen Extraplatz mit einem Schild dran (Direktion), wo nur Sie ihren schönen schwarzen Audi hinstellen dürften. Ihr Büro im obersten Stock böte aus Panoramafenstern einen atemberaubenden Blick auf Siegen, Bottrop oder Kaiserslautern, und Ihre Office-Managerin wüßte genau, wie Sie Ihren Kaffee mögen: schwarz mit drei Stück Zucker und zwei Amarettini. Wenn Sie also solch eine beneidenswerte Position innehätten – wie würde dann die Lage Ihrer Bank im Moment aussehen? 

Ungefähr so: Kredite an Bundesländer, Städte und Kommunen, die sehr gute Ratingnoten haben und deshalb mit ganz wenig oder gar keinem Eigenkapital zu unterlegen wären, spielen für Ihr Haus keine Rolle; und wenn doch, dann ist damit kein Geld zu verdienen, weil Toprating plus minimales Risiko immer auch niedrigste Zinsen bedeutet. Das große Geschäft mit den Dax-Unternehmen, Börsengängen und Investmentbanking, das Emittieren komplizierter Kreditderivate und der Kauf und Verkauf von Unternehmen, Aktivitäten, mit denen die Deutsche Bank einst groß, mächtig und renditestark werden wollte, spielt für Ihr mittleres Haus schon gar keine Rolle.

Immobilienkredite und Darlehen an Häuslebauer, die seit jeher eine der Hauptsäulen der Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken waren, spielen für Sie mengenmäßig hingegen eine ganz gewaltige Rolle – aber wegen der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) ist gerade mit nach 2011 abgeschlossenen Neuverträgen kein Geld mehr zu verdienen; und die Altverträge mit zehnjähriger Zinsbindung und Zinssätzen von über vier Prozent und mehr laufen genau jetzt aus. Viele davon werden dann durch Verträge mit Zinssätzen unter zwei Prozent pro Jahr ersetzt werden; das wird für viele Banken – auch die Ihre – nochmal ein richtiger Schock werden. Kleinvieh macht auch Mist, deshalb ist im Mengengeschäft mit Girokonten, Kreditkarten, Vermögensanlagen und Versicherungen für Privatkunden nach wie vor gut Geld zu verdienen. Aber hier sind traditionell Beratungsaufwand und Vertriebskosten hoch und die Kreditausfälle häufig. Zusätzlich wird wegen der hohen Überziehungszinsen auf Girokonten, die im Schnitt bei zehn Prozent liegen, der Gegenwind von Verbraucherschützern und die Konkurrenz von Online- und Sparda-Banken andauernd stärker. Da die Deutschen Risiken scheuen und deshalb Aktien mißtrauen, ist mit Wertpapierdepots und den dabei anfallenden Gebühren auch kaum Geld zu verdienen; die gehandelten Volumina sind minimal und der Markt seit Jahren sowieso in der Hand von Internetbanken.

Zu hohe Vorstandsgehälter, sinkende Zinseinnahmen?

Nein, wirklich gutes Geld verdienen mittlere Banken wie die Ihre eigentlich nur noch mit Unternehmen, denn die Wirtschaft brummt seit Jahren, und das wird noch einige Jahre so weitergehen. Die Unternehmen expandieren und brauchen immer mehr Kredite; und die Tatsache, daß die meisten Mittelständler auch privat alles – vom Haus über das Boot bis zum Cabrio für das studierende Kind – gern über die Hausbank der Firma abwickeln, macht diese Klientel doppelt interessant und ertragreich.

Also: Nicht die 30 Dax-Konzerne, nicht die öffentliche Hand und – seit die EZB im März 2016 den Leitzins auf null Prozent gesenkt hat – auch nicht mehr die Häuslebauer sind die besten Kunden von Banken und Sparkassen, sondern kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Diese haben laut Statistischem Bundesamt weniger als 250 Mitarbeiter oder einen Jahresumsatz von unter 50 Millionen Euro. Von diesen KMU gibt es in Deutschland etwa 2,2 Millionen, und davon hatten 99,3 Prozent weniger als 250 Mitarbeiter und weniger als zehn Millionen Jahresumsatz. Ja, 86 Prozent der KMU haben sogar weniger als eine Million Euro Jahresumsatz und 82 Prozent nur weniger als fünf Mitarbeiter.

Und trotzdem (oder genau deshalb) arbeiten bei diesen KMU 27 Millionen Menschen in Deutschland, was 60 Prozent aller Beschäftigten entspricht. Hier, und nicht in den Großunternehmen, wird der Hauptteil des Steueraufkommens verdient – Steuern, mit denen Griechenland „gerettet“ und nun nie zuvor dagewesene Investitionen für Geflüchtete bezahlt werden müssen. Von den KMU kommen aber auch die meisten Innovationen und Ideen, die die deutsche Wirtschaft zur viertgrößten der Welt gemacht haben. Und genau diese KMU, die in der Wirtschaftspresse und den glänzenden Manager-Magazinen nie eine Rolle spielen, sind heute schon die wichtigsten Kunden der Banken – und in zehn Jahren werden sie es noch viel mehr sein. Die meisten kleinen und mittleren Banken verdienen bereits heute 70 bis 80 Prozent ihres Zinseinkommens mit KMU – obwohl an diese oft nur die Hälfte Ihrer Ausleihungen gehen.

Nun sind aber genau diese Banken, allen voran die Sparkassen, gefolgt von den Genossenschaftsbanken ins Gerede gekommen. Eine Artikelserie in der FAZ hat gerade den Sparkassen, die fast 41 Millionen Konten führen und die doch seit Jahrzehnten als Säule der kleinen Sparer, der Einzelhändler, Handwerker und Häuslebauer gelten, nun kürzlich massive Probleme unterstellt. Die Rede war von faulen Krediten, überhöhten Vorstandsgehältern und ständig sinkenden Zinseinnahmen, die das ganze Geschäftsmodell der Sparkassen und Genossenschaftsbanken in Frage stellen.

Ja, an einige Sparkassenvorstände wurden über Jahrzehnte tatsächlich überhöhe Gehälter und danach exorbitante Renten – es gibt Ex-Vorstände, die 200.000 Euro im Ruhestand kassieren – bezahlt. Das ist falsch, ungerecht und steht in keinem Verhältnis zu den oft mittelmäßigen Leistungen der Bankvorstände, aber es bringt weder Banken noch Sparkassen zu Fall. Und das tun auch die von der FAZ so sehr inkriminierten faulen Kredite der Banken nicht, denn hinter diesen stehen immer Kreditsicherheiten. Da im Mittelstand und im Privatkundengeschäft 80 Prozent aller Kredite mit Grundschulden auf Immobilien besichert sind, die Werte von Immobilien in guten Lagen aber seit Jahren steigen, führt dies dazu, daß bei Ausfällen der Kreditnehmer die Werte der Sicherheiten die Verluste eines Kreditinstitutes fast immer ausgleichen. 

Sparer und Anleger werden massiv geschädigt

Wenn den deutschen Banken und Sparkassen und ihren Kunden Gefahr droht, dann resultiert diese einzig und allein aus der Minimalzinspolitik der EZB. Mit Zinsmargen von unter einem Prozent können Banken einfach kein Geld mehr verdienen, weshalb sie auch auf Einlagen so gut wie gar nichts mehr bezahlen und jetzt sogar dazu übergehen wollen, Sichteinlagen im siebenstelligen Bereich mit Strafzinsen zu belegen.

Dies muß und wird zu Verwerfungen in der deutschen Bankenlandschaft führen – und die ersten Auswirkungen sind ja schon sichtbar: Immer mehr Sparkassen gehen dazu über, Geld für die Führung eines Girokontos zu verlangen, der Obolus liegt meist bei immerhin fünf Euro im Monat. Auch die meisten anderen Leistungen von Banken wie Überweisungen, Daueraufträge, Abbuchungen und Scheckeinreichungen werden zukünftig mehr Geld kosten. Schlimmer noch werden die angekündigten Filialschließungen sein, die nun vielerorts notwendig werden. In vielen kleinen Orten und auf dem Land wird es zukünftig keine Bankfiliale mehr geben, was Senioren, die mit Online-Banking keine Erfahrung haben und beim Bäcker nicht mit der Girokarte bezahlen können, vor große Probleme stellen wird.

Zusammenfassend heißt das: Eine Folge törichter, rein politischer Entscheidungen der EZB, die nur den einen Zweck hatten, die Südländer, insbesondere aber Griechenland zu retten, hat deutsche Sparer und Anleger auf Jahrzehnte hinaus massiv geschädigt und könnte den über zwei Jahrhunderte aufgebauten deutschen Bankensektor in eine Trümmerlandschaft verwandeln.

Zahlen, Daten, Fakten zur Kreditwirtschaft:  bankenverband.de

Informationen der Sparkassen-Finanzgruppe: dsgv.de/