© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 22/16 / 27. Mai 2016

„Unsere Seite soll ein Nachrichtenportal sein“
Alternative Medien: Die von Chinesen gegründete „Epoch Times“ jagt von einem Klickerfolg zum nächsten
Ronald Gläser

Ein Scoop ist das ja nicht gerade: „Das sagen die farbigen Codes auf der Zahncreme“ lautet eine Überschrift auf der Epoch Times-Webseite. Eine andere warnt davor, daß demnächst ein Führerschein für Drohnennutzer nötig werden könnte. Und dann eine typische Meldung über Umweltprobleme: „Chinas Wasser ist massiv verschmutzt.“ 

Gerade diese Meldung ist typisch  für die Epoch Times. Denn: „China ist einer unserer Schwerpunkte“, sagt Zhihong Zheng. Die Chinesin ist Geschäftsführerin von Epoch Times Deutschland und treibt die kleine Berliner Redaktion mit solchen Geschichten zu immer neuen Klickrekorden an. Vor anderthalb Jahren lag die Zahl der Besucher pro Monat noch bei unter einer Million. Dann kam Pegida. Regelmäßig berichtet Epoch Times über die Demos in Dresden – mit Liveticker und Kamerateam. Darauf explodierten die Zugriffe. Jetzt liegt Epoch Times laut IVW seit Monaten stabil bei mehr als zwei Millionen Besuchern. Im Januar waren es wegen Köln sogar vier Millionen. 

Zheng nippt an ihrem Tee. „Sicherheit, Integration, die GEZ, die Rente – das sind Themen, die gut laufen“, sagt sie mit leichtem Akzent. Die Managerin lebt seit 20 Jahren in Deutschland spricht dank eines 800stündigen Intensivkurses hervorragend Deutsch. 

Pegida hat die Webseite groß rauskommen lassen

Reden ist das eine. Denken das andere. Die deutschen Befindlichkeiten rund um solche Reizthemen sind ihr fremd. Daß einige ihrer Werbekunden irritiert bis ablehnend über die Pegida-Berichte reagierten und absprangen, berichtet sie so, als ginge es um eine unverständliche Marotte eines Fremden. Auf der Webseite verkündet die Redaktion: „Leser schätzen unsere Offenheit und Objektivität, denn ein Tabu im Sinne ‘das ist zu heikel, darüber berichten wir nicht’ gibt es für uns nicht.“ 

Und über Pegida heißt es in einer von nüchterner Neutralität strotzenden Erklärung, die viele deutsche Journalisten bei Leitmedien vermissen lassen:  „Wir geben unseren Lesern die Möglichkeit, sich direkt über die umstrittene Bürgerbewegung zu informieren und sich ein Bild dessen zu machen, was gerade auf Deutschlands Straßen vor sich geht.“ 

Das wichtigste Thema von Epoch Times ist aber nicht Pegida, sondern China. „Bezogen auf China sind wir eine Nachrichtenagentur“, strahlt Zheng. Ihre Zeitung habe so viele Korrespondenten im Land, daß sie besser als jeder andere Dienst über das Land berichten könne. 

Peking versucht, das Internet zu zensieren 

ET ist ein globales Projekt, eng verbunden mit der chinesischen „Falun Gong“-Bewegung, die 1999 von der KP verboten worden ist und hart verfolgt wird. Die Zeitung wird in elf Sprachen verlegt. Die Gesamtauflage liegt bei mehr als einer Million. Die Hauptzielgruppe sind antikommunistische Auslandschinesen, vor allem in Taiwan, Hongkong und Nordamerika. In Europa liegt der Schwerpunkt in Deutschland und Frankreich. Die gedruckte deutsche Ausgabe wurde 2012 eingestellt. Aus dem Verlag heißt es, die Redaktion habe sich auf die Onlineausgabe zurückgezogen. Sie verdient jetzt Geld vor allem mit Bannerwerbung und schreibt sogar schwarze Zahlen, berichtet die Wirtschaftswoche. Das Magazin bezeichnete den Verlagsgründer in Deutschland, Manyan Ng, als „einen der großen Abstauber  des rechten Booms“, als Mann „ohne Skrupel, aber mit dem Gefühl fürs richtige Timing“. 

Die Zentrale des Berliner Ablegers dieses weltumspannenden Netzwerks ist in Berlin-Tiergarten. Hier residiert Epoch Times im Hinterzimmer eines chinesischen Reisebüros. Ein mit Laminat bedeckter Boden ist der Sitz der Redaktion. Blick in den Hof und auf die Kurfürstenstraße. Fünf bis sechs Redakteure arbeiten hier, überwiegend Deutsche mit Interesse an chinesischen Themen.  

In China ist die Seite gesperrt. Die Regierung hat ein Programm entwickelt, das „Goldener Schild“ heißt. Aber die Computerexperten von Epoch Times setzen eigene Software dagegen, mit der sie Nutzern in China den Zugang über Proxyserver ermöglichen. Diese Programme seien weit verbreitet, berichtet Zheng nicht ohne Stolz. Die „Mauer überspringen“ sei neuerdings ein geflügeltes Wort im Chinesischen und beziehe sich auf die ET-Software. 

Der Weg von Zhihong Zheng könnte exemplarisch sein: Sie war bei einem Patentamt beschäftigt und sah für sich als Nicht-KP-Mitglied keine Aufstiegs-chancen. Also ging sie ins Ausland, wo sie von einer anderen Auslandschinesin mit der Lehre von Falun Gong vertraut gemacht wurde. Zheng hat für das kommunistische Unterdrückungssystem ihrer Heimat nichts übrig. „Die KP wird untergehen“, lautet ihr Urteil. Die Frage sei nicht ob, sondern wann dies geschieht. Dann werde Epoch Times bereit stehen, um das gestiegene Interesse der westlichen Öffentlichkeit an China zu befriedigen.

„Epoch Times“. Mehrsprachige internationale Zeitschrift, die auch auf deutsch erscheint

 www.epochtimes.de