© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/16 / 03. Juni 2016

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Alles beim alten
Paul Rosen

Wenigstens die Stimmung bei der Kabinettsklausur auf Schloß Meseberg war gut: Es sei sogar gelacht worden, meldeten Regierungssprecher. Was Inhalt und Ergebnisse betraf, scheint Bundeskanzlerin Angela Merkel ihrer Politik treu geblieben zu sein: Forderungen des Koalitionspartners werden soweit wie möglich umgesetzt und dann als eigene Erfolge verkauft. Das praktiziert die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende wieder beim in Meseberg verabredeten „Integrationsgesetz“. 

Schon lange geht es bei CDU/CSU und SPD nicht mehr darum, Flüchtlinge und Asylsuchende nach Ende der Kriege und Auseinandersetzungen in ihre Heimatländer zurückzubringen, wo sie zum Beispiel am Wiederaufbau in einem befriedeten Syrien mitwirken könnten. 

SPD-Chef und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel brachte die Sache auf den Punkt, indem er an die Adresse der Flüchtlinge erklärte: „Wenn du dich reinhängst, wird was aus dir.“ Der Fachbegriff heißt „Fördern und Fordern“. Flüchtlinge sollen soweit mit Kursen für den Arbeitsmarkt fit gemacht werden, daß sie hier zum Beispiel eine Ausbildung beginnen oder gleich sogar eine Arbeit aufnehmen können. Dann fallen auch regionale Aufenthaltsbeschränkungen weg, und die Bevorzugung, daß hiesige Arbeitnehmer zuerst eingestellt werden, soll auch weitgehend entfallen. 

Im Vergleich zu den alten Einwanderungsländern USA, Kanada und Australien wird in Deutschland faktisch nicht mehr unterschieden zwischen Armutsflüchtlingen, Wirtschaftsmigranten, Kriegsflüchtlingen und Asylsuchenden. Europäische Verträge werden systematisch mißachtet, und auf dieser Grundlage wird dann das Integrationsgesetz gestaltet, das Gabriel am liebsten als „Einwanderungsgesetz 1.0“ bezeichnen möchte. Er freut sich über den „echten Paradigmenwechsel“, und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) pflichtet ihm insoweit bei, indem er betont, man habe aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. 

Das Integrationsgesetz sei eine „entscheidende Zäsur“, bestätigte de Maizière Gabriels Reden vom „Paradigmenwechsel“, der dazu führt, daß vermutlich Hunderttausende von Migranten in die Weiterbildungsindustrie eingegliedert werden, wo schon deutsche Arbeitslose in der Vergangenheit viel Überflüssiges und wenig Nützliches gelernt haben. Als Ergebnis winken möglicherweise mehrere hunderttausend neue Gabelstaplerfahrer, obwohl in der Industrie 4.0 Roboter die Lagerwirtschaft der Unternehmen übernehmen und Gabelstaplerfahrer bald so überflüssig sein werden wie Setzer und Metteure in Zeitungsverlagen. 

Die Koalitionsklausur in Meseberg hat gezeigt, daß die in der Wählergunst schrumpfenden Großkoalitionäre ihren Kurs unbeirrt fortsetzen: Die SPD erhebt Forderungen, und die CDU/CSU stimmt größtenteils zu, wobei die CDU ausdrücklich erfreut war, daß der stets nörgelnde bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Horst Seehofer nicht mit am Tisch saß. Das erleichterte die Einigung auf Basis der SPD-Vorschläge.