© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/16 / 03. Juni 2016

Kaum jemand will ein Grundeinkommen
Schweiz: Am Sonntag haben die Eidgenossen die Qual der Wahl – schnellere Asylverfahren und Lohn ohne Arbeit stehen im Fokus
Michael Link

Utopischer Unsinn oder Sicherheit für alle? Diese Frage stellen sich viele Schweizer, wenn es um ein bedingungsloses Grundeinkommen geht. Darüber sowie auch über vier weitere Initiativen wird das Schweizer Volk am 5. Juni abstimmen. 

Demnach stehen auch beschleunigte Asylverfahren, eine „faire Verkehrsfinanzierung“, eine Revision des Gesetzes über Fortpflanzungsmedizin und die Initiative „Pro Service public“ zur Abstimmung. Letztere fordert, bei den Grundleistungen nicht gewinnorientiert zu arbeiten und mit allfälligen Überschüssen nicht die allgemeine Bundeskasse zu finanzieren.

Die Entscheidung des Stimmvolkes über die Initiativen scheint jedoch bereits absehbar: Eine erste Umfrage der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG SSR) ergab eine mehrheitliche Zustimmung der Eidgenossen zur Initiative „Pro Service public“ (58 Prozent) und zur Revision des Asylgesetzes (59 Prozent). 

Bei der Asylfrage setzt die SVP auf strikte Opposition

Demgegenüber lehnt die Mehrheit die Volksinitiativen für eine faire Verkehrsfinanzierung und für ein bedingungsloses Grundeinkommen ab. Mit 24 Prozent Ja-Stimmen ist für die Initiative „für ein bedingungsloses Grundeinkommen“ (BGE) die Zustimmungsrate außerordentlich niedrig. Die Initiatoren fordern ein bedingungsloses Grundeinkommen von monatlich mindestens 2.500 Franken (2.268 Euro) pro Erwachsenem und 625 (567 Euro) Franken für Jugendliche unter 18 Jahren. Im Gegenzug sollen bisherige staatliche Sozialleistungen – Renten-, Sozialhilfe- und Arbeitslosenzahlungen – entfallen.

Die rechtsbürgerliche Schweizerische Volkspartei (SVP) lehnt ein bedingungsloses Grundeinkommen ab. „Das Sozialversicherungssystem in der Schweiz ist umfassend und diejenigen, die aus gesundheitlichen Gründen ihr Erwerbsleben aufgeben müssen, erhalten durch verschiedene Versicherungen die notwendigen Mittel für ein menschenwürdiges Leben“, erklärt Ständerat Alexander Kuprecht den Standpunkt seiner Partei. Ebenso ablehnend positioniert sich die SVP zu beschleunigten Asylverfahren. In Zukunft sollen vereinfachte Verfahren nur noch höchstens 140 statt wie bisher durchschnittlich 277 Tage dauern. Dazu soll den Asylwerbern kostenlos ein juristischer Beistand zur Verfügung gestellt werden.

„Jetzt, wo andere europäische Länder ihre Grenzen schließen, will die Schweiz ihre Kapazitäten zur Unterbringung von Asylsuchenden erhöhen“, erklärt Nationalrat Albert Rösti die Haltung seiner Partei. „Das ist praktisch eine Einladung, zu uns zu kommen, statt daß wir nach Lösungen suchen, um Wirtschaftsmigranten ab- oder zurückzuweisen, die den Großteil aller Asylsuchenden in der Schweiz ausmachen.“ Zudem lehnt die SVP die Einführung des kostenlosen juristischen Schutzes ab. „Wir betrachten es als unhaltbar, daß alle Asylsuchenden gratis von einem Anwalt profitieren können“, erklärt Rösti. Das sei ein Recht, das nicht einmal Schweizer Staatsangehörigen gewährt wurde und das deshalb das in der Bundesverfassung festgehaltene Gleichbehandlungsprinzip verletze.