© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/16 / 03. Juni 2016

Nicht nur Autofahrer sollen noch mehr blechen
Drohende Klimaabgabe: Industrieverband BDI schlägt CO2-Abgabe auf Benzin, Diesel, Gas und Heizöl vor / EU-Emissionshandel wird nicht in Frage gestellt
Jörg Fischer

Abschaffung des Buß- und Bettags oder des paritätischen Krankenversicherungsbeitrags, Euro-Einführung und -Rettung, Fachkräftezuwanderung, befristete Beschäftigung, Leiharbeit, Rentenabsenkung oder Werkverträge – der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ist einer der erfolgreichsten Lobbyvereine. Auch das transatlantische Abkommen TTIP dürfte wohl nur scheitern, wenn Donald Trump oder Bernie Sanders ins Weiße Haus einziehen.

Geht es jedoch um Kohlendioxid (CO2 ) und Klimaschutz, werden selbst die hemdsärmligsten Firmenlenker öffentlich kleinlaut und unterwerfen sich der diesbezüglichen Political Correctness. Dies ist auch bei der Studie mit dem eher harmlosen Titel „Konsistente europäische Industrie-, Klima- und Energiepolitik“, die vom Kölner Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) und der TU Delft (Niederlande) für den BDI ausgearbeitet wurde, nicht anders.

Zertifikatezwang auf mehr Schultern verteilen

Die Sinnhaftigkeit des EU-Emissionshandels (ETS), der von CO2-Erzeugern den Kauf von ETS-Zertifikaten verlangt, oder der „Nationale Klimaschutzplan 2050“ der Bundesregierung werden darin nicht in Frage gestellt – lediglich die immensen Kosten sollen möglichst andere als die BDI-Mitglieder zahlen. Die „Kostenbelastung für die Sektoren Industrie und Energie“ werde im Zuge der eingeleiteten ETS-Reform ab 2021 steigen. Zudem sei „mit höheren Kosten durch den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland zu rechnen“, heißt es in der BDI-Studie.

Was also tun? Einfach den ETS-Pflichtkauf auf „noch nicht abgedeckte Sektoren“ wie den Straßenverkehr erweitern, „um so dieses marktbasierte Instrument zu stärken und den Klimaschutz effizienter zu machen“. Sprich: die ETS-Zertifikate – die derzeit unter zehn Euro pro Tonne CO2 kosten – auf mehr Schultern verteilen. Wer mehr Klimaschutz wolle, müsse sich „den Fahrzeugbestand vornehmen und darf nicht nur bei Neuwagen ansetzen“.

Der Straßenverkehr sollte daher in den ETS einbezogen werden: „Nur wer die dem Kohlenstoffgehalt der Kraftstoffe entsprechende Menge an Zertifikaten nachweist, darf Benzin und Diesel in Verkehr bringen“, so die BDI-Lobbyisten. Das hieße: Tankstellen müßten dann für jeden Liter Sprit entsprechende ETS-Zertifikate erwerben. Die Kosten würden an die Autofahrer weitergegeben. Laut Bundesverband Emissionshandel (BVEK) wäre das zunächst ein einstelliger Cent-Betrag pro Liter Sprit – doch dabei wird es nicht bleiben, wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz vorführt: Bei Angela Merkels Amtsantritt 2005 lag die EEG-Umlage bei nur 0,68 Cent pro Kilowattstunde, inzwischen ist es mit 6,354 Cent fast das Zehnfache.

Daß die Energiesteuer für Benzin schon bei 65,5 Cent je Liter und für Diesel bei 47 Cent liegt und darauf zusätzlich die Mehrwertsteuer von 19 Prozent erhoben wird, stört den BDI nicht. Eine Alternative sei aber die Einbeziehung von Mineralölgesellschaften in den ETS, „was einer indirekten Einbeziehung des Straßenverkehrs“ gleichkäme.

Doch das reicht dem BDI nicht: Unter dem Stichwort „ETS-Erweiterung“ soll auch „Raumwärme“ nicht verschont werden. Das bedeutet: Gas und Heizöl sollen entsprechend ihrem CO2-Potential teurer werden. Ob auf Brennholz, Pellets oder Holzkohle auch eine Klimaabgabe fällig wird, geht aus den zugänglichen BDI-Dokumenten nicht hervor. Nur der Luftverkehr dürfe nicht belastet werden: Der stünde nämlich – anders als Straße oder Raumwärme – wie die Industrie im globalen Wettbewerb.

Studie „Konsistente europäische Industrie-, Klima- und Energiepolitik – mit besonderem Augenmerk auf dem EU-Emissionshandel“: bdi.eu