© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 23/16 / 03. Juni 2016

Agitprop feiert Auferstehung
Regietheater: Die „Geschichten aus dem Wiener Wald“ spielen an der Komischen Oper im Berliner Unterschichtenmilieu
Thorsten Thaler

Diese Theaterleute können es einfach nicht lassen. An der Komischen Oper in Berlin hat ein Regisseur jetzt Ödön von Horváths Stück „Geschichten aus dem Wiener Wald“, 1931 unter Intendant Max Reinhardt am Deutschen Theater uraufgeführt, in einer Vertonung durch den österreichischen Komponisten HK Gruber in die Gegenwart versetzt. Korrekterweise müßte die Inszenierung von Michal Zadara nun eigentlich heißen: „Geschichten aus dem Berliner Unterschichtenmilieu“. Junge Leute in zumeist kurzen Hosen und knappen Leibchen, etliche davon tätowiert, grillen am Ufer der Spree, trinken Bier und rauchen, hören Musik aus dem Ghetto-Blaster. Der Vater von Marianne, um deren sozialen Abstieg im Zuge einer Verlobung mit einem Hallodri es vordergründig in dem Stück geht, kommt als Rocker-Verschnitt daher. Ein Burschenschafter trägt schwarzrotgoldenes Couleur und – das darf im Regietheater natürlich nicht fehlen – fällt mit „Nazi-Sprüchen“ auf. Außerdem prangt auf seiner Feldflasche ein Hakenkreuz. Fehlt nur noch das Hitler-Bärtchen, um das böswillige Maß vollzumachen.

Nach dem unsäglichen „Fear“ an der Schaubühne (die JF berichtete mehrfach) feiert das Agitprop-Theater binnen kurzer Zeit nun schon zum zweiten Mal beschwingte Auferstehung. Angeblich sei das Stück „bedrückend zeitgemäß“ (Inforadio Berlin). In Wahrheit jedoch sind die Regisseure solcher dämlichen Inszenierungen aus der Zeit gefallen.

Die nächsten Aufführungen des Stücks in der Komischen Oper Berlin, Behrenstraße 55-57, finden am 11. und 17. Juni statt.

 www.komische-oper-berlin.de