© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/16 / 10. Juni 2016

Medien und Flüchtlinge
Märchenstunden
Michael Paulwitz

Keine Medienwoche ohne „Flüchtlings“-Märchenstunde. Da sind Gut und Böse klar verteilt: Asylbewerber sind „Schutzsuchende“, Traumatisierte, Opfer von Gewalt und „Rassismus“, der natürlich stets von Deutschen ausgeht, in Sachsen sowieso. 

Da genügen schon ein paar Reizwörter, und alle schreiben voneinander ab: In der sächsischen Provinz (verdächtig) fesseln Mitglieder einer „Bürgerwehr“ (sehr verdächtig) einen „psychisch kranken Flüchtling“ an einen Baum. Und wieder sieht hinterher alles ganz anders aus: Der fragliche Iraker hatte die Mitarbeiter des Supermarkts schon den ganzen Tag terrorisiert, die Männer, die schließlich eingriffen – keine Bürgerwehr, sondern Nachbarn mit Zivilcourage –, hatten völlig korrekt gehandelt, was im nachhinein auch die genervte Polizei bestätigte.

Mediale Inszenierung und politische Propaganda greifen gut geölt ineinander, nicht nur in Sachsen. Nicht immer haben die Lügen so kurze Beine wie im hochwassergeschädigten Schwäbisch Gmünd, wo die Behörden nach den Aufräumarbeiten auf Wunsch eines ausländischen Senders eifrig Asylbewerber herankarrten, um die fromme Legende vom allzeit hilfsbereiten „Flüchtling“ zu inszenieren. War ja in bester Absicht, rudern die von empörten Nachbarn ertappten Regie-Dilettanten zurück. Je kitschiger das Rührstück, desto genauer muß man hinschauen: Von gut gemeint bis schlecht gelogen ist es oft nur ein kurzer Schritt.