© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/16 / 10. Juni 2016

„Nicht der Geist der AfD“
Antisemitismusvorwurf: Die Landtagsfraktion in Stuttgart hat ein Ausschlußverfahren gegen den Abgeordneten Wolfgang Gedeon eingeleitet
Christian Christian vollradtollradt

Gegen 17 Uhr am Dienstag tritt Jörg Meuthen vor die Presse. Es war ein harter Tag für den AfD-Bundesvorsitzenden. Seit Tagen steht die von ihm geführte Landtagsfraktion in Baden-Württemberg unter Druck. Grund dafür ist ein Mann: Wolfgang Gedeon. Der Abgeordnete hatte vor seiner AfD-Mitgliedschaft unter dem Pseudonym „W. G. Meister“  mehrere als antisemitisch kritisierte Schriften veröffentlicht (siehe nebenstehende Zitate).

Am Morgen hatte der Bundesvorstand innerhalb weniger Minuten beschlossen, dem Landesverband ein Parteiausschlußverfahren gegen Gedeon zu empfehlen. Das Gremium zeigte sich „entsetzt“ über die Äußerungen des Stuttgarter Abgeordneten, der sich früher als „praktizierender Kommunist“ bezeichnet hatte. Meuthens Fraktion dagegen beriet mehrere Stunden über den Fall. Am Ende stimmte die Mehrheit der AfD-Abgeordneten für die Einleitung eines Fraktionsausschlusses. Die Formulierung legt nahe, daß es auch Gegenstimmen gab. Wie viele, wollte ein Pressesprecher der Fraktion nicht mitteilen: „Dazu äußern wir uns nicht!“ Nun muß die Fraktion am 21. Juni eine endgültige Entscheidung treffen. Für einen Ausschluß sind dann Zwei Drittel der 23 Abgeordnetenstimmen nötig.

„Wenn sich die Vorwürfe gegen Herrn Gedeon erhärten, werden wir sie bekommen, wenn nicht, dann nicht“, sagte Meuthen in einer Stellungnahme im Anschluß an die mehrstündige Sitzung. Die Fraktion wolle die Vorwürfe ernsthaft prüfen. „Wenn ich mich hinstelle und sage, das ist antisemitisch, dann ist das ein substantieller Vorwurf, den ich auch gern zu überprüfen bereit bin. Ich halte die Gründlichkeit des Vorgehens für richtig“, bekräftigte der Fraktionschef. Mit welchem Ergebnis diese Untersuchung endet, sei noch völlig offen. Meuthen wörtlich: „Wenn sich die Vorwürfe erhärten und sich dann keine Zweidrittelmehrheit für den Ausschluß findet, wäre das eine problematische Situation.“ Zuversicht klingt anders.

Immerhin unterstützen die Kollegen im Bundesvorstand den Stuttgarter Fraktionschef in dieser heiklen Angelegenheit. „Die Äußerungen sind antisemitisch und damit in Deutschland untragbar“, sagte der stellvertretende Parteivorsitzende Alexander Gauland der JUNGEN FREIHEIT. Schon wegen der Geschichte Deutschlands sei Antisemitismus „inakzeptabel in jeder Form“. Der stellvertretende Parteichef verwies auf andere Parteien in Europa, die ähnlich erfolgreich seien wie die AfD. Als Beispiel nannte Gauland den Front National. Dieser habe sich mittlerweile „deutlich von antisemitischen Tendenzen“ losgesagt. „Wenn so etwas in Frankreich nicht geht, geht es in Deutschland erst recht nicht.“ Im Bundesvorstand habe es im Fall Gedeon „keinen Dissens“ gegeben.

Gedeons Publikationen sind bereits einige Jahre alt. In verschiedenen Büchern nennt der promovierte Mediziner beispielsweise Horst Mahler und Ernst Zündel, die die Vernichtung der Juden im Nationalsozialismus bestreiten, „Dissidenten“, die allein wegen ihrer Meinung „für Jahre hinter Gitter“ gesperrt würden.

 Auch kritisiert er das Mahnmal für die ermordeten Juden in Berlin mit scharfen Worten und bezeichnet das Judentum als „inneren Feind“ des „christlichen Abendlandes“. Er wirft den Juden vor, an einer Versklavung der Menschheit zu arbeiten und verteidigt die sogenannten „Protokolle der Weisen von Zion“ nicht nur als echt, sondern auch als richtig. Bei dem Machwerk handelt es sich um eine 1903 in Rußland entstandene antisemitische Fälschung, die darauf abzielt, die Legende einer jüdischen Weltverschwörung zu stricken.

Bundesvorstandsmitglied Julian Flak unterstrich: Für „antisemitisches Gedankengut ist in der Partei kein Platz“. Er persönlich sei für ein Ausschlußverfahren gegen Gedeon, sagte er dieser Zeitung. Dabei müsse die Partei die hohen Ansprüche an ein rechtsstaatliches Verfahren einhalten und die Vorwürfe sorgfältig prüfen. Dazu gehöre auch, daß Gedeon angehört werde.

Der niedersächsische Landesvorsitzende Armin-Paul Hampel sagte der JF: „Der Bundesvorstand unterstützt einmütig den Landesverband Baden-Württemberg und seinen Vorsitzenden Jörg Meuthen. Das haben wir mit unserem Beschluß klar zum Ausdruck gebracht.“ Die Aussagen von Gedeon entsprächen „nicht dem Geist der AfD“, betonte der Beisitzer im Bundesvorstand. 

Mit Kritik an Gedeon hatte sich als erstes Alice Weidel an die Öffentlichkeit gewandt: „In der AfD gibt es null Toleranz für Antisemitismus“, betonte sie. Personen mit diesem Gedankengut hätten in der Partei nichts verloren. Ihr Vorstandskollege Georg Pazderski sagte der JF mit Blick auf Gedeon: „Wenn er das so gesagt oder geschrieben hat, dann hat er in der Partei nichts zu suchen.“

 Auf seiner Internetseit verteidigte Gedeon seine Thesen. Er sei kein „Antisemit“, sondern „Antizionist“. Die Protokolle der Weisen von Zion seien „eher“ keine Fälschung. „Aber selbst wenn sie eine solche wären, wäre die Schlußfolgerung auf eine antisemitische Gesinnung willkürlich.“ Wie im Fall des früheren CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann vor zehn Jahren versuche man nun, ihn mittels einer Hetzkampagne aus der Fraktion zu drängen.





Antisemitismus habe in der Partei nichts zu suchen

Unterdessen stellte sich auch der rheinland-pfälzische Landes- und Fraktionschef Uwe Junge hinter seinen Amtskollegen aus Stuttgart: „Jörg Meuthen macht genau das Richtige“, sagte Junge der JF. „Auch wenn die Äußerungen Gedeons zehn Jahre zurückliegen, können wir uns solches Gedankengut nicht leisten“, betonte Junge. Das passe nicht mit den Grundüberzeugungen der AfD zusammen, insbesondere, „da Herr Gedeon seine Äußerungen ja noch verteidigt“. Daher sei ein Ausschluß Gedeons richtig. 

Die AfD nehme für sich in Anspruch, eine konsequente Partei zu sein. „Dann müssen wir in diesem Fall auch in den sauren Apfel beißen und die hier notwendigen Konsequenzen ziehen. Alles andere wäre inakzeptabel. Sonst machen wir unser gesamtes Parteiprogramm zur Farce. Und eine Partei, in der solches Gedankengut geduldet würde, wäre auch nicht mehr meine Partei.“ , machte Junge im Gespräch mit der jungen freiheit klar.

Zitate aus Gedeons Schriften 

„Das Problem fängt damit an, daß schon die Begriffe Freimaurerei und Zionismus nicht nur von der politischen Klasse tabuisiert werden, sondern auch in der Bevölkerung weitgehend unbekannt oder zumindest sehr ungeläufig sind. Eine wirksame Oppositionspolitik muß also erst einmal diese beiden Begriffe mit Inhalt füllen und politisch geläufig machen.“

„Erst die Pius-Brüder, dann die ganze katholische Kirche und schließlich das gesamte Christentum niedermachen und ausschalten: Das ist die freimaurerisch-zionistische Strategie, wie wir schon in den so sehr angefeindeten Protokollen der Weisen von Zion nachlesen können.“

„Geert Wilders und seine Partei, ... betreiben einen Antiislamismus auf zionistischer Grundlage. Hier wird der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben …“

„Politisch will man überall ein Mehrparteien-System, das man ‘Demokratie’ nennt, durchsetzen, und ideologisch geht es um die Durchsetzung einer freimaurerisch-zionistischen Ideologie, die als solche die Grundideologie des US-amerikanischen Staates darstellt.“

„Der Zionismus aber ist ein integraler, wenn nicht dominanter Bestandteil des westlichen Systems.“

„Drittens sind die meisten Sympathisanten und politischen Handlanger des Zionismus nicht Juden, sondern Nichtjuden. Das fängt oben bei israelhörigen Spitzenpolitikern wie Angela Merkel oder Joschka Fischer an und geht hinunter bis zu den zahlreichen verblendeten und verbiesterten Zionomanen, von denen es in Deutschland nur so wimmelt.“

(Frage:) „Wenn nun das Thema Judaismus primär die Theologie, das des Zionismus primär die Politik betrifft, dann müßten Sie als Christ Antijudaist und als Demokrat Antizionist sein.“ (Antwort:) „So ist es.“

Alle Zitate stammen von der Internetseite Gedeons bzw. aus seiner Trilogie „Christlich-europäische Leitkultur – Die Herausforderung Europas durch Säkularismus, Zionismus und Islam“